Erster Start und gleich Platz zwei!

Written by on 14. Oktober 2023 in Allgemein

Das neu formierte Team Segway Powersports Germany beim GORM 24 h Race 2023

Eine Stunde vor Schluss kommt Hektik auf in der Box von Team Segway Powersports Germany: Der Villain SX 10 mit Leon Eble am Steuer rollt zum letzten Tankstopp. Keine Bremsen mehr, verkündet der 21jährige Youngster. Er fährt heute sein erstes Rennen und er fährt es abgebrüht wie ein alter Hase. Schon seit Runden verzögert er den Villain nur noch mit dem Motor und der Handbremse. Die Service-Crew spült Bremsscheiben und Beläge frei. Es zischt und dampft als das Wasser auf das heiße Metall trifft. Hinten ist noch ein guter Millimeter Belag auf den Klötzen. Vorne reibt bereits Metall auf Metall. Jetzt noch die Beläge zu wechseln würde zu lange dauern. Der Villain liegt auf Platz zwei. Von hinten drückt ein Can Am Maverick. Eble beschließt seinen eigentümlichen Bremsstil einfach beizubehalten und den Villain irgendwie ins Ziel zu bringen. Also eineinhalb Tankkannen Benzin nachfüllen, kurze Durchsicht und weiter geht’s.

 

Beim Team Segway Powersports Germany weiß man jetzt: Die Bremsbeläge des Villain halten keine 24 Stunden. Und genau darum geht es bei diesem ersten Einsatz des neu formierten Teams. Man will lernen wie sich der Villain über die Distanz verhält und wo die möglichen Schwachpunkte des Fahrzeugs liegen. Nicht umsonst hat man sich das GORM 24 h Rennen für den ersten Einsatz des Teams ausgesucht. Denn wo sonst kann man in so kurzer Zeit so viele Offroad-Kilometer abspulen? Rund 60 Runden sollten die Schnellsten schaffen, schätzt Veranstalter Jörg Sand. 18 km ist eine Runde lang. Macht unterm Strich fast 1100 km durch Sand, Lehm und vor allem ganz viel Staub.

Das Team Segway Powersports Germany ist mit zwei Villain SX 10 mit 72“-Fahrwerk am Start. Einer wurde direkt vom Importeur Herkules Motor in Kassel vorbereitet. Der Zweite kommt von Eble4x4 aus dem Breisgau. Bis auf die 15“ Felgen und die obligatorische Sicherheitsausstattung ist der Eble-Renner, Startnummer 314, mit seinen 105 PS komplett serienmäßig. Im Frühjahr hat er bereits die Tuareg Rallye erfolgreich und vor allem problemfrei absolviert. Die Quadwelt hat darüber in Heft 3/2023 berichtet. Auch beim Villain von Herkules Motor mit der Startnummer 315 sind Fahrwerk und Antriebsstrang unveränderte Serie. Allerdings haben ihn die Techniker mit einem extrem stabilen Sicherheitskäfig ausgestattet. Außerdem haben sie den Kühler nach hinten auf den „Kofferraum“ verpflanzt und gleich noch einen Sportluftfilter verbaut.

Als am Freitag Punkt 19:00 h die Flagge fällt, versinkt der Offroad-Motopark im polnischen Olszyna in einer riesigen Staubwolke. Die 40 Starter graben des Infield förmlich um. Dann geht es hinaus in den Wald. Dort haben noch ein paar Schlammlöcher das heiße Wetter überlebt. Und auf den anschließenden Stoppelfeldern heißt es dann ganz schlicht: Vollgas! Beim Eble-Renner wird das spätestens mit Einbruch der Dunkelheit zum Problem. Der Lichtbalken hat sich lose gerüttelt und strahlt überall hin, nur nicht auf die Strecke. Leon Eble muss unplanmäßig an die Box. Dort wird der Balken mit Panzertape fixiert. Das Provisorium hält bis ins Ziel.

Alle sechs Runden, so haben die Segway-Techniker errechnet, müssen die beiden Villain zum Tanken in die Box. Bei jedem zweiten Stopp kommt das Fahrzeug zusätzlich auf einen zur Arbeitsbühne umfunktionieren Anhänger. Dort kontrolliert die Boxencrew den Reifendruck, zieht die Radmuttern nach, überprüft die Radaufhängungen und checkt das Motoröl. Dann macht sich der nächste Fahrer auf den Weg hinaus in die Dunkelheit. Die meisten Teams gehen mit den 3 Fahrern ins Rennen. Bei Eble ist kurzfristig ein Pilot ausgefallen. Also beschließen Eble Junior und Hendrik Soster die 24 Stunden zu zweit in Angriff zu nehmen. Das bedeutete vier Stunden hochkonzentriert fahren, 4 Stunden möglichst viel schlafen. Während Soster sich nach seinen Stints in sein Zelt zurückzieht, legt sich Eble auf eine Pritsche gleich in der Box, zieht sich ein Schlauchtuch über die Augen- und ist eingeschlafen.

Nach drei Rennstunden belegt Team Segway Powersports Germany die Plätze fünf und sechs in der UTV-Klasse. Die Sicht auf der Strecke muss furchtbar sein. Dunkelheit und Staub, es sei als fahre man in eine Wand, berichtet Joe Meinel, als er den 315er-Villain planmäßig an Paul Zidko übergibt. Zwei Stunden später dann der Schock. Timon Gehnen, der inzwischen die 315 pilotiert, meldet per Handy einen plötzlichen Leistungsverlust beim Villain. Anschließend sei der Motor komplett abgestorben. Die Orga schleppt den Liegenbleiber zurück in die Box. Die Suche nach dem Fehler beginnt. Nach mehr als zwei Stunden – es ist inzwischen kurz vor halb zwei – steht fest: Ein simpler Elektronikfehler hat den Villain lahmgelegt. Der Kurbelwellensensor hat den Geist aufgegeben. Das Team hat zwar kistenweise Ersatzteile dabei, aber keinen Kurbelwellensensor, ein Teil, das noch nie kaputt gegangen ist. Nr. 315 ist draußen. Die Enttäuschung ist mit Händen greifbar.

Das erste Renndrittel ist in den Büchern. Der Staub klebt inzwischen in allen Poren und die Müdigkeit kriecht in die Glieder. Wer irgendwie kann sucht sich eine Bank oder einen Stuhl, um wenigstens ein bisschen zu schlafen. 24 Stunden sind verdammt lang. Draußen auf der Strecke dreht Soster mit dem SX 10 eisern seine Runden. Die Teamstrategie ist simpel: Überlaste das Fahrzeug nicht, fahr am besten konstant bei 80 Prozent und produziere keine unnötigen Stopps. 24 h-Rennen gewinnt man mit Konstanz, nur selten mit Geschwindigkeit. Um zwei Uhr nachts liegen Eble/Soster auf Platz drei in der UTV-Klasse.

 

Morgens um 07:00 h – Halbzeit: Der Segway Villain mit der Nr. 314 hat in 12 Stunden 28 Runden abgespult und läuft nach wie vor einwandfrei. Am Steuer sitzt wieder Hendrik Soster. Die Rundenzeiten liegen konstant im 23 Minuten-Bereich. Mehr Tempo ist auch nicht nötig. Der Villain hält einen sicheren zweiten Platz vor dem Can Am Maverick vom Team Nador. Vorneweg geigt der Yamaha YXZ von Cardiff Motorsport mit 3 Runden Vorsprung. Dann setzt leichter Regen ein. Draußen auf den Stoppelfeldern wird die Strecke extrem seifig. Als Soster seinen Turn beendet, trägt der Villain SX 10 einen dicken Schlammpanzer. Vorsichtshalber wird der Kühler gespült und mit dem Laubbläser freigeblasen. Nichts soll unversucht bleiben, um den Villain heil ins Ziel zu bringen. Immerhin ist in der UTV-Klasse bereits das halbe Feld ausgeschieden und beinahe hätte es auch den Führenden erwischt. Kurz nach 12:00 h schleppt sich der Yamaha YXZ mit gebrochenem Rahmen an die Box. Das Cardiff-Team hat kein Schweißgerät. Normalerweise wäre das das Aus gewesen. Doch in einer selbstlosen Geste verleiht Team Segway Powersports Germany sein Schweißgerät an den schärfsten Konkurrenten. Keine halbe Stunde später ist der Yamaha zurück auf der Strecke und hat immer noch eineinhalb Runden Vorsprung. Und die behält er bis ins Ziel. Punkt 19:08 rollt auch der Segway Villain SX 10 von Eble/Soster über die Linie und wird begeistert empfangen: Platz 2 in der Klasse, damit hätte keiner im Team gerechnet. 59 Runden hat der Villain klaglos abgespult. Das sind 1062 harte Offroad-Kilometer. Leon Eble kann sich doppelt freuen: Beim ersten Rennstart gleich aufs Treppchen, das will was heißen. Und manch einer bei Segway wird sich vielleicht insgeheim gefragt haben wie das Rennen wohl ausgegangen wäre ohne das Fair Play mit dem Schweißgerät.

https://www.herkules-motor.de/de/segway/

https://www.eble4x4.de/

Text und Fotos: Klaus Kutscher

Eine ausführliche Reportage zu den GORM findet Ihr in der Ausgabe 6-2023 Eurer Quadwelt. Dort beleuchten wir die Geschichte der Rennserie und stellen Euch die Teilnehmer und Gewinner der anderen Klassen vor.

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