Die Motorräder sind ein Mythos und Harley-Fans sind eigensinnig: Die Maschinen und deren Status sind unantastbar. Jedes der Kult-Bikes aus der amerikanischen Schmiede darf nur zwei, höchstens drei Räder haben. Nur ausgesuchte Tuner dürfen Hand an die Fahrzeuge legen. Plötzlich kommt Einer und macht ein Quad daraus!
Der Belgier Sandy Poglavec ist einer der wenigen Tüftler, die von den Harley-Fahrern akzeptiert werden. Schon in seiner über 20-jährigen Zeit als Customizer der edlen amerikanischen Motorräder hat er oft Mut bewiesen. Aber was er diesmal hinter verschlossenen Türen in seiner Werkstatt austüftelte, war etwas völlig anderes. Ein Quad, auf
Basis des berühmten V-Zwei-Motors aufzubauen, das Wesen und den Charakter einer Harley zu verändern, darauf steht in der Szene fast wörtlich die Prügelstrafe. Doch den Namen, den Sandy sich in den Jahren gemacht hat, stimmte sogar eingefleischte Harley-Fans versöhnlich. Nicht verwunderlich, dass er unter anderem auch in der Harley-Factory in Frankfurt ein offenes Ohr fand, die sich schon sehr bald als Vertriebspartner zur Verfügung stellten und uns somit eine Q4 zur ausführlichen Probefahrt anboten. Daher steht nun ein außergewöhnliches Quad vor uns: Vorverlegte Fußrasten statt Nerf-Bars, Chopper-Lenker anstelle der obligatorischen Enduro-Stange. In der Mitte blubbert der berühmte Zweizylinder-VMotor.
Ist der Typ nun völlig bekloppt, lebensmüde oder hatte er eine geniale Idee, als er vorne und hinten ein weiteres Rad an das Basis-Motorrad konstruierte? Jedenfalls behielt Sandy die Linie des Motorrads bei, als er die Front- und Heckpartie entwarf. Sieht schon cool aus und erinnert etwas an einen nostalgischen Sportwagen.
Die Vision
Bei der Konstruktion hatte sich Sandy bereits von Anfang an ganz klare Ziele und Vorgaben gesetzt. Das Wichtigste dabei war, dass er den ursprünglichen Charakter des Motorrades und vor allem den Wert erhalten wollte. Das heißt, es werden am Motorrad keine endgültigen Veränderungen wie zusätzliche Bohrungen oder Verschweißungen
vorgenommen. Die Aufnahmen für die Anbauten am Heck oder der Front sind also durch die Zweiradgeometrie vorgegeben. Dieses Konzept erlaubt es, den Umbau jederzeit wieder rückgängig machen zu können. Der Umbau selbst ist laut Sandy mit zwei Monteuren in zirka sechs Stunden realisierbar. Ein weiterer Vorteil des Konzepts ist der
zweigeteilte Aufbau. Durch die getrennten Heck- und Frontanbauten lässt sich aus dem Motorrad auch ganz leicht ein Trike bauen. Hier kann man zwischen dem klassischen, zweispurigen Heck wählen, oder man entscheidet sich für eine zweispurige Front, bei der das einzelne Hinterrad erhalten bleibt. Ähnlich kennt man diesen Aufbau vom
Can Am Spyder. Das nötige Know-How für die Geometrie eines Fahrzeugs mit mehr als zwei Rädern brachte Sandys Partner Erik ein, der wiederum sehr gute Kontakte zu diversen Konstrukteuren aus der Formel 1 Szene unterhält. So ist es nicht verwunderlich, dass die gesamte Fahrwerksgeometrie viele Anleihen an die F1-Technik enthält. Und
alles was Sandy nicht selbst anfertigt, wie Rahmen und das patentierte Differenzial, kommt wie selbstverständlich aus dem Automobilbereich. So ist zum Beispiel die komplette Bremsanlage auch in einem VW Polo zu finden, der mit gleichem Material mehr als das doppelte Gewicht im Zaum halten muss.
Überhaupt macht die gesamte Rahmenkonstruktion einen mehr als stabilen Eindruck. Das schlägt sich natürlich auch im Gewicht nieder. Sandy weiß allerdings um die Qualitäten des Harley-Motors, deshalb kommen Experimente jenseits von stabilem Stahlrohr nicht in Frage. Abgesehen von wenigen Ausnahmen. Nicht umsonst kennt man eine Harley-Davidson schließlich auch unter dem Namen „Eisenschwein“. Verhältnismäßig leicht sind allerdings die lackierten Verkleidungsteile und Radabdeckungen. Die sind aus hochwertigem GFK in Handarbeit gefertigt und glänzen mit Passgenauigkeit und hoher Stabilität. Eine Lackierung entsprechend den Farben des Motorrades ist kein Problem und im Grundpreis des Umbaukits auch schon enthalten. Als Federelemente kommen die Originaldämpfer von Harley zum Einsatz.
Obwohl die Umbaukits von Q-Tec weltweit patentiert sind, so ist die Idee aus einem Motorrad ein Quad zu machen nicht ganz neu. Zwar unter völlig anderen Bedingungen und im Ergebnis komplett anders interpretiert, hat sich Clemens Eicker (E-ATV) die Zweiräder von KTM vorgenommen. So unterschiedlich wie die Basismotorräder von Harley-Davidson und KTM zeigen sich aber auch die jeweiligen Umbauten mit vier Rädern. Lassen sich die E-ATVs ihrem Ursprung nach sowohl auf Asphalt als auch im Gelände vorzüglich fahren, ist der Q-Tec Umbau für den reinen Straßeneinsatz konzipiert. Eine Harley hat auf einem Feldweg auch nichts zu suchen. Basta! Außerdem macht der doch sehr große Wendekreis der Q4 ein Sicheres Manövrieren im Unterholz quasi unmöglich. Auch wenn Konstrukteur Sandy die Wendigkeit seiner Fahrzeuge in seinen Werbeinformationen hervorhebt, sollte man nicht vergessen, das eine Harley-Davidson grundsätzlich auch nicht zum Serpentinenfahren gemacht ist.
Fahren mit der Q-Tec
Wir trauen uns mit der 1600er auf die Straße. Ermutigt durch die Optik, hoffen wir, unterwegs auch beim Zusammentreffen mit einer Rocker-Gang überlebensfähig zu sein. Denn die beschriebenen Umbauten, der Sound und der Nimbus der das Quad umgibt, ist immer noch irgendwie Harley. Wir nehmen Platz auf dem Sitzbrötchen, das erstaunlich weich gepolstert ist. Das kennen wir Quad- und ATV-Fans von anderen Maschinen kaum. Lässig hängt der Fahrer am Lenker, die Füße weit nach vorne. Werner aus dem Comic-Heft könnte nicht entspannter hocken. Gewöhnungsbedürftig ist der fehlende Handbremshebel. Das 440 Kilo schwere Gefährt wird integral nur per Fußkraft gebremst. Hier kommt aber wieder die Herkunft aus dem Autobau zum Tragen. Mit deutlichem Druckpunkt kann man präzise die Fahrt verzögern, Kurven anbremsen oder auf dem Punkt stoppen. Auch in Notlagen steht das Vehikel nach wenigen Metern. In Kurven braucht die Q-Tec etwas Nachdruck. Kräftig drücken am Lenker ist angesagt, da eine Gewichtsverlagerung wie auf herkömmlichen Quads wegen der Sitzposition sehr eingeschränkt, ja fast unmöglich ist. Außerdem sieht es sehr albern aus, wenn man auf dem vor Coolness strotzenden Q-Tec mit dem Hintern auf der Sitzmulde hin und her rutscht. Doch das massive Lenkgestänge hilft bei der Anlenkung. Gelassenes Pendeln auf der Landstrasse, langgezogene Kurvenradien, Highway – das macht den Wohlfühlfaktor auf diesem Quad aus. Gebirgspässe mit Haarnadelkurven bedeuten das Gegenteil. Der bullige Motor zieht aus jeder Lebenslage von unten raus wie ein Lanz-Trecker. Ähnlich ist auch das Geräusch. Selbst in einem hohen Gang ballert der Zweizylinder voran. Keine Beschleunigungsorgien, aber vehementer Vortrieb ist bemerkbar. Cruisen ist angesagt und macht wirklich am meisten Spaß mit der Q-Tec. Harley Davidson eben. Wir steuern das Quad durch den Hunsrück. Land- und Kreisstraßen, Ortsdurchfahrten. Dabei kommt der Motor schaltfaulen Gesellen deutlich entgegen.
Es gibt kaum eine Lebenslage, wo man vom Drehmoment im Stich gelassen wird. Per Chip-Tuning kann die PS-Leistung des Antriebaggregats bis auf knapp 100 Pferdchen angehoben werden. Die 75 unseres Testfahrzeugs erwiesen sich als ausreichend, durchzugsstark und gut beherrschbar. Trotz des einstellbarenFahrwerks, gibt die Q-Tec merkliche Rückmeldung über den Straßenzustand. Manch schlechter Belag rüttelte uns ordentlich durch, was an der straffen Abstimmung liegt. Nach einigen Stunden im Sattel,
macht sich die für Quadfahrer doch etwas ungewohnte Sitzposition bemerkbar. Sicher gibt es im Chopper-Zubehör noch einen Lenker, der aus der Tiefe der Q-Tec etwas besser erreichbar ist. Man hat das Gefühl, dass die Arme nach und nach zu kurz geworden sind. Sicher auch ein Tribut an die hohen Lenkkräfte. Die Bedienelemente sind funktional und stammen natürlich allesamt vom Harley-Motorrad, inklusive dem Tacho auf dem Tank. Alles funktioniert tadellos, der Preisklasse angemessen. Leicht fummelig ist der
Hebel für den Rückwärtsgang. Die Umlenkung wurde an den Harley-Motor geflanscht und hakelt ein wenig. Doch der Rückwärtsgang ist unerlässlich, damit die belgisch-amerikanische Konstruktion auch die LoF-Zulassung bekommt.
Abgesehen von der Tatsache, dass Schieben ohnehin als Manövriertaktik ausfällt. Anstieg auf einer Serpentinenstrecke. Sauber zieht der Motor aufwärts und wir schrauben uns in die Höhe. Die Kurvenradien weit ausnutzend. Über den Scheitelpunkt bergab, muss runter geschaltet werden, um eine Motorbremswirkung effektiv zu nutzen. Tatsächlich ist davon wenig spürbar und der Support mittels Bremsfuß obligatorisch. Ausflugsdampfer auf
den Panoramastraßen lassen wir mit lockeren und zügigen Überholmanövern hinter uns. Zusätzlich einen verschreckten Fahrer mit Hut, der in einer Q-Tec nicht nur ein ausreichend dimensioniertes Fahrzeug wahrnimmt, sondern vermeintlich sogar Marsmenschen. Denn runter schalten und beschleunigen ist mühelos und effizient.
Exklusives Fazit
Ein tolles Quad mit exklusivem Status. Wer die Aufmerksamkeit sucht, muss ohne Zweifel eine Q-Tec fahren. Der Kaufpreis schlägt allerdings ins Kontor. Um die zwanzig Mille kostet alleine das Basis-Moped und der Umbausatz kostet nochmal Dreißig. Da drängt sich der Vergleich mit anderen, vielleicht sinnvolleren Anschaffungen auf. Der Gattin
des Hauses dürfte ein Gespräch über den Erwerb wohl eher den Gedanken an Trennung sinnvoll erscheinen lassen, wenn sie überhaupt noch Luft kriegt. Wer allerdings über ausreichend Barmittel verfügt, stellt der liebenden Ehefrau einfach ein schnuckeliges Cabrio daneben, dann passt das schon. Außerdem besteht ja auch noch die Möglichkeit, aus dem Motorrad ein Dreirad zu machen. Ein wirklich feines Männerspielzeug also, fast wie früher in der Kindheit der Fischer-Technik-Baukasten. Aber Spaß beiseite, das Quad hat sich den unverwechselbaren Charakter einer Harley bewahrt und ist ein würdiger Vertreter dieser weltweiten Philosophie. Und letztlich hat doch nur ein Customizer eine geile Idee verwirklicht.
Text: Frank Meyer, Ralf Wilke
Fotos: Frank Meyer, Ralf Wilke, Q-Tec