Yamaha ist immer wieder für Überraschungen gut. Nun haben die Japaner den guten alten Grizzly 700 für die Zukunft fit gemacht. Bei einem Presse-Event in Norwegen konnten wir den großen Bär noch mal ganz neu kennen lernen.
Yamaha ist immer wieder für Überraschungen gut. In den letzten Wochen haben uns die Japaner mit Neuheiten in Sachen Vierrad wahrlich verwöhnt. Neben den völlig neuen Modellen Kodiak 700 und dem Sport-Side-by-Side YXZ 1000 R haben die Techniker am neuen Produktionsstandort in Newnan bei Atlanta (USA) nun auch den guten alten Grizzly 700 für die nächste Zukunft fit gemacht. Bei einem Presseevent in Norwegen konnten wir den großen Bär noch mal ganz neu kennenlernen.
Wie bei alten Schulfreunden, die man nach einer Ewigkeit zufällig wiedertrifft, kann auch der Grizzly eine ganze Menge an Leistungen und Fähigkeiten in seinem Lebenslauf aufweisen. Als Enkel der Vorfahren Grizzly 600 und Grizzly 660 erblickte der 700er erstmals 2007 das Licht der Welt. Neun Jahre später im Modelljahrgang 2016 angekommen, ist aus dem schon immer erwachsen wirkenden Fahrzeug eine stattliche Fahrmaschine mit einer Menge positiver Eigenschaften und besonderen Fähigkeiten geworden. Die Liste der Neuerungen ist ellenlang und nicht nur auf den ersten Blick logisch. An allen Ecken und Kanten wurde gefeilt, ohne die typische Grizzly-Optik in Frage zu stellen. Wäre da nicht der große Zusatzscheinwerfer der jetzt zwischen den Lenkerenden thront, könnte man die Unterschiede zwischen 2015er und 2016er Modell gar nicht sofort ausmachen. Aber der Reihe nach.
Mehr Dampf
Mittlerweile ist die angegebene, oft auch sehr theoretische Leistung eines ATV der Oberklasse ein echtes Kaufargument, insbesondere bei deutschen Kunden. Yamaha kommt dem nur bedingt nach. Zwar hat man dem großen Bären den neuen Motor mit 708 ccm Hubraum spendiert, der auch im neuen Wolverine seinen Dienst tut, aber damit bleibt man hinter dem Höchstleistungs-Rennen der Mitbewerber zurück. Dabei muss sich der Einzylinder-Motor vor nichts und niemandem verstecken. Yamaha gibt wie immer unter vornehmer Zurückhaltung einen Leistungszuwachs von 6 Prozent im Vergleich zum Vorgänger an. Unter Zuhilfenahme eines Taschenrechners kommt man somit auf 50,4 PS. Für den gewaltigen Eintopf also gar nicht mal schlecht. Auch das Drehmoment hat um fast 10 Prozent zugelegt. Das spürt man auch sofort auf der ersten Runde. Laut Yamaha wurde der Charakter für technisches Terrain und extreme Offroad-Einsätze ausgelegt.
Für die gleichmäßige und kraftvolle Leistungsentfaltung über den gesamten Drehzahlbereich wurde das Einlass- und Ansaugsystem komplett überarbeitet. Vom Luftfilter über die Einspritzung bis zum Schalldämpfer, der über eine geregelte Abgassteuerung verfügt, konnte auch eine effizientere Verbrennung erreicht werden. Getriebetechnisch bleibt beim neuen Grizzly alles beim Alten, zum Glück. Denn das Ultramatic-CVT von Yamaha ist einfach eines der Besten auf dem Markt. Der Riemen wird unter konstanter Spannung gehalten, wodurch es nicht zu übermäßigem Verschleiß kommen kann. Zusätzlich sorgt eine spezielle Freilaufkupplung für eine hervorragende Motorbremsleistung auf alle vier Räder insbesondere bei steiler Bergabfahrt. Auch das Yamaha On Command Allradsystem bleibt dem neuen Grizzly erhalten. In Verbindung mit dem EPS (Electronic Power Steering), also der elektrischen Servolenkung, ist der Grizzly bestens auch für extreme Geländeeinsätze gerüstet.
Neue Federelemente vom Fahrwerks-Spezialisten Kayaba sorgen für noch mehr Komfort. Die Dämpfer sind vorn und hinten in der Vorspannung einstellbar. Ebenfalls mehr Komfort bietet die neue Sitzbank, die mehr Schaumstoff, eine ergonomischere Form und sechs Zentimeter mehr Länge aufweist, für zwei Personen aber immer noch etwas zu kurz ausfällt. Das Chassis wurde insbesondere an die neue Einlassführung, den Luftfilter und auch an den neuen Platz für den Tank angepasst. Der sitzt jetzt im Heck unter der Sitzbank, der Luftfilter wanderte an dessen alten Platz. Dadurch wurde der Schwerpunkt weiter nach unten gelegt. Auch eine neue Benzinpumpe kommt zum Einsatz. Zum Schutz des Chassis ist ein dreiteiliger Unterfahrschutz montiert, auch die A-Arms verfügen über einen Schutz aus Kunststoffteilen. Die vorderen Aufhängungen sind komplett neu designt und an die Kayaba-Dämpfer und die neuen größeren Reifen angepasst. Die exklusiv für die Yamaha Grizzly 700 hergestellten Maxxis Reifen sind jetzt in den Dimensionen 26 x 8 – 12 vorn und 26 x 10 – 12 hinten auf ebenfalls neuen Stahlfelgen montiert.
Mehr Praktisches
Kommen wir noch mal zurück auf Design und Komfort. Die beiden Gepäckbrücken können vorn 50 und hinten 90 Kilo aufnehmen, das ist ein Plus von zehn Kilo im Vergleich zum Vorgänger. Unter dem Rücklicht befindet sich ein zusätzliches Staufach mit Klappe, das für zwei Kilo ausgelegt ist. Wasserdicht ist das Staufach im vorderen Fender, und neu ein Klappfach in der Tankattrappe, das immerhin auch noch mal für vier Kilo Kleinkram genutzt werden kann. Ein neuer Digitaltacho sorgt für den guten Durchblick. Alle nötigen Infos werden dort gut ablesbar bereitgestellt. Lichttechnisch wird der Grizzly in die LED-Zukunft gebeamt. LED hinten und auch die Frontscheinwerfer basieren auf der neuen Technik. Lediglich der zusätzliche Lenkerscheinwerfer kommt noch mit der Halogentechnik aus. Bei allen Grizzly Modellen ist auch eine Warn „Provantage“ Winde im Serientrimm enthalten. Außerdem verfügt der Grizzly über eine 12 V Bordsteckdose für diverse elektrische Geräte.
Mehr Spaß
Ohne großes Lamento, die neue Grizzly ist gerade im Gelände nach wie vor eine Instanz. Die Modellpflege überzeugt auf ganzer Linie. Schon beim Aufsitzen machen sich das neue Sitzbanklayout und die angepasste Ergonomie aller Bedienelemente positiv bemerkbar. Wie auf dem heimischen Sofa fühlt sich der Fahrerhintern sofort wohl. Alles ist am rechten Platz. Der Motor springt ohne Verzögerung an und läuft satt rund. Schöner Klang, den die neue Auspuffanlage trotz Katalysator da so in die Landschaft entlässt. Nicht zu laut, aber dem Einzylinder entsprechend basslastig. Die Fahrstufe flutscht mit geringem Widerstand, aber sauber in die gewünschte Rasterung. Vorwärts geht’s. Und wie! Der neue Motor kann im ATV im Vergleich zum Einsatz im Wolverine Side-by-Side viel besser auftrumpfen. Wie am Gummiband aufgezogen schießt der Grizzly im H-Gang ohne spürbare Drehzahldelle in Richtung Höchstgeschwindigkeit. Mangels ausreichend langer Geraden konnten wir den Highspeed nicht wirklich erreichen, aber gefühlte 100 Sachen sind kein Problem. Auf den Speed kommt es aber bei unserer Testfahrt durch die norwegische Tundra wirklich nicht an. Viel mehr zeigt die Grizzly, was im Offroad-Bereich machbar ist. Da sind die Grenzen tatsächlich sehr weit gesetzt.
Unterwegs warten fiese Matschlöcher auf uns, die aber mit entsprechender Fahrtechnik und unter Zuhilfenahme der technischen Ausstattung der Grizzly kaum ein echtes Problem darstellen. Bei jeder steilen Abfahrt kann die Motorbremse der Yamaha voll überzeugen. Auch das gefürchtete Kickback das beim Gaswegnehmen in Abwärtsbewegung bei machen ATVs auftritt, ist bei der Grizzly überhaupt kein Thema. Genau so souverän verhält sich der große Bär in jeder noch so heftigen Steigung. Ohne nervöse Gasstöße lassen sich auch extreme Anstiege bewältigen. Die zuschaltbare Differenzialsperre an der Vorderachse kann in schwierigen Situationen wirklich sehr hilfreich sein.
Ebenfalls hilfreich und ohne Tadel hilft das EPS durch so mache heftige Passage. Im Stand hält das System durchaus einen erhöhten Wiederstand aufrecht, mit zunehmender Geschwindigkeit wird dann der Lenkwiederstand proportional geringer. Allerdings hält die Servolenkung bei harten Stößen auch die Lenkung in der Spur. Das Feature EPS sollte man beim Grizzly-Kauf auf keinen Fall außer Acht lassen. In den technischen Daten findet sich eine Angabe zur höchstmöglichen Wassertiefe. Dort steht 363 Millimeter zu lesen. Was? Das reicht ja mal gerade bis zum Fußraum. Bei unserer Fahrt quer durch die norwegischen Wälder stoßen wir auf Wasserpfützen, die nicht nur tiefer als knapp 40 Zentimeter aussehen, sondern es tatsächlich auch sind. Teilweise geht die Pampe bis zur Sitzbank. Für den Grizzly aber kein Problem. Die Einlässe für die CVT-Belüftung und der Einlass zum Luftfilter liegen beide etwa bei 80 Zentimeter Fahrzeughöhe. Keins der Matschlöcher stellt die 700er vor unlösbare Verhältnisse. Die 26-Zöller Maxxis Reifen verfügen über ein spezielles Profildesign, das exklusiv für den Grizzly hergestellt wird. Die Räder harmonieren sehr gut mit dem Fahrzeugdesign. Das Profil ist für maximalen Gripp im Gelände entworfen. Auf der Straße wird es sicher nicht so gut funktionieren wie abseits des Asphalts. Aber das wird zumindest in den Hauptabsatzmärkten ohnehin kein Argument sein. Für den Onroad-Betrieb halten die einschlägigen Zubehörhersteller sicher einen passenden Gummi vor. Das neue Sitzbank-Layout ist wirklich gut gelungen. Sehr komfortabel lässt es sich auch über Stunden gut auf dem Sofa aushalten, ohne das es irgendwo zwickt oder zwackt. In den Lenkerenden spürt man eine leichte Vibration, die aber nicht nennenswert stört. Nach ein paar echt intensiven Fahrstunden im schönsten Gelände kann es nur ein Fazit geben. Yamaha hat den neuen Grizzly behutsam, aber konsequent weiterentwickelt. Der große Bär ist jetzt „Up to date“ und gut gerüstet für die kommenden Aufgaben. Vermisst haben wir eigentlich nichts, vor allem nicht mehr Leistung. Als einziges Manko lässt sich nach wie vor anführen, das der Grizzly nicht wirklich für den Soziusbetrieb geeignet ist. Aber das ist eh ein sehr europäisches Problem, die Amis kämen gar nicht erst auf die Idee, die Freude am ATV fahren mit irgendjemand zu teilen. Es sei denn, er hat ein eigenes Fahrzeug und man geht gemeinsam auf die Jagd oder fährt zum Angeln.
Mehr Auswahl
Yamaha-typisch steht zum Verkaufsstart eine ganze Modellreihe zur Auswahl. Ausstattungstechnisch lässt sich der Grizzly ohne oder mit EPS ordern. Dazu gibt es diverse Farbmöglichkeiten. Hier eine Übersicht:
Farben
Grizzly 700 EPS: Solid Green / Yamaha Blue / Red Spirit / Camouflage
Grizzly 700: Solid Green / Yamaha Blue / Camouflage
Grizzly 700 EPS Special Edition: Crimson Red Metallic / Tactical Black / Dark Grey Metallic
Mehr Ausstattung
Die vorgenannten SE-Modelle verfügen neben einer der Metalliclackierungen zusätzlich über zweifarbige Aluminiumfelgen und eine Vierkantaufnahme am Heck für verschiedene Möglichkeiten das ATV als Zugmaschine nutzen zu können. Nach Aussage der Yamaha-Jungs vor Ort in Norwegen wird die SE in Tactical Black auch mit schwarz lackierten Alufelgen erhältlich sein.
Zur Orientierung stellen wir Euch hier die unverbindlichen Preisempfehlungen der Yamaha Motor Deutschland GmbH zur Verfügung:
Grizzly 700 – Farbe/n: Camouflage € 11.195,00
Grizzly 700 – Farbe/n: Solid Green, Yamaha Blue € 10.795,00
Grizzly 700 EPS – Farbe/n: Camouflage, SE, LE € 11.795,00
Grizzly 700 EPS – Farbe/n: Solid Green, Red Spirit, Yamaha Blue € 11.395,00
Unverbindliche Preisempfehlung zzgl. Nebenkosten. Den verbindlichen Endpreis – einschließlich anfallender Nebenkosten – erfahren Sie bei Ihrem Yamaha-Vertragshändler.
Technische Daten (Angaben Hersteller)
Motor
Motortyp | 1-Zylinder-Motor, Flüssigkeitsgekühlt, 4-Takt, DOHC, 4 Ventile |
Hubraum | 708 ccm |
Bohrung x Hub | 103,0 mm x 85,0 mm |
Verdichtung | 10,1 : 1 |
Schmierung | Nasssumpf |
Gemischaufbereitung | Elektronische Benzineinspritzung |
Zündung | Transistor |
Startsystem | Elektrisch |
Getriebe | Yamaha Ultramatic®, CVT, Fliehkraftkupplung |
Antrieb | On-Command® 2WD/4WD/Differenzialsperre |
Sekundärantrieb | Welle |
Fahrwerk
Federung vorn | Doppelquerlenker-Einzelradaufhängung, 193 mm Federweg |
Federung hinten | Doppelquerlenker-Einzelradaufhängung, 232 mm Federweg |
Bremse vorn | 2 belüftete hydraulisch betätigte Scheiben |
Bremse hinten | 2 belüftete hydraulisch betätigte Scheiben |
Reifen vorn | Maxxix MU19 AT26x8-12, steel wheels |
Reifen hinten | Maxxix MU19, AT26x10-12, steel wheels |
Abmessungen
Gesamtlänge | 2.070 mm |
Gesamtbreite | 1.230 mm |
Gesamthöhe | 1.253 mm |
Sitzhöhe | 860 mm |
Radstand | 1.253 mm |
Bodenfreiheit | 288 mm |
Gewicht, fahrfertig, vollgetankt | EPS: N/A, EPS SE: N/A, STD: 314 kg |
Kleinster Wendekreis | 3,5 m |
Tankinhalt | 18,0 Liter |
Öltankinhalt | 2,6 Liter |
Ladungsgrenzen
Vorderer Träger | 50 kg |
Hinterer Träger | 90 kg |
Zusätzliche Merkmale
Lenksystem | Achsschenkellenkung mit elektrischer Servounterstützung (gilt nicht für Standard Version) |
Text: Frank Meyer
Fotos: Frank Meyer, Yamaha