Klassik-Test: Wolverine 450 4×4

Written by on 29. Dezember 2016 in Allgemein, Test + Technik, Yamaha

Vor zehn Jahren stellte Yamaha eines der ersten Sport-ATV auf dem Markt vor, die Wolverine 450 4×4. Das Modell wurde nach wenigen Jahren aus dem Programm genommen. Was kann der Gebrauchtkäufer heute von dem Fahrzeug erwarten?

Der Wolf im Wolfspelz

Das Yamaha immer für eine Überraschung gut ist, hat man in den letzten Jahren nur all zu oft bewiesen. Da kommt die Ankündigung einer runderneuerten Wolverine einem schon wie selbstverständlich vor. Was man allerdings der versammelten, europäischen Presse im spanischen Seva präsentierte, ist alles andere als selbstverständlich.

Das es im Oktober in Spanien regnet ist eher unwahrscheinlich. Was wohl auch der Grund dafür war, die neue Wolverine 450 4×4 dort der europäischen Presse vorzustellen. Geschickt eingefädelt, könnte man sagen. Das es am ersten Tag des zweitägigen Events wie aus Eimern goss, damit hat wirklich keiner der Yamaha-Verantwortlichen gerechnet. Selbst der Konferenzraum  des Hotels, in dem die offizielle Vorstellung stattfand, entging nur knapp einer Überschwemmung. Für den Nachmittag mussten wir uns alle noch mit trockener Theorie und ein paar bewegten Bildern an der Videowand begnügen. Eine erste Berührung mit dem Objekt der Begierde war aber am Abend im Rahmen einer kleinen Show endlich möglich. Was Yamaha uns da präsentierte, hatte nicht im geringsten Ähnlichkeit mit dem Namensgeber Wolverine 350. Das seit 1995 im Modellprogramm von Yamaha befindliche ATV ist das einzige Fahrzeug neben der legendären Banshee 350, das die letzten zehn Jahre ohne größere optische oder technische Veränderungen seine Daseinsberechtigung hatte.

Im größten Absatzmarkt, den USA, ist die Wolverine seit jeher ein Verkaufsschlager und das zu Recht. Ein ATV, das schon immer gerne für den Arbeitseinsatz in Wald und Feld eingesetzt wurde, mit dem der Farmer aber auch nach getanem Job seinen Spaß hatte. Die Wolverine Modell 2006 hat außer dem Namen wirklich nichts mehr mit dem Vorgänger gemeinsam. Weder technisch noch optisch. Trotzdem, von einer Neuentwicklung zu sprechen, wäre etwas übertrieben. Was man im Zweiradsektor schon seit Jahren erfolgreich betreibt, macht bei Yamaha nun auch im ATV Sektor Sinn. Der Griff ins prall gefüllte Regal, um aus den Einzelteilen verschiedener Modelle etwas Neues zu kreieren. Diese Art der Modellpflege trifft nicht immer den Geschmack der Kundschaft. Im Falle der Wolverine 450 4×4 ist Yamaha aber ein wirklicher Clou gelungen.

Die Technik

Was verbirgt das sportliche Kleid? Bewährtes, um es einfach zu sagen. Die 450er Kodiak stellt den größten Teil seiner Gene zur Verfügung. Motor, Chassis und Getriebe hat das geschulte Auge schon mal gesehen. Aufhängung, Federung und Fahrwerk offenbaren erste Unterschiede. Im Gegensatz zur Kodiak kommt die Wolverine nicht mit einer unabhängigen Einzelradaufhängung hinten, sondern mit einer Starachse. Die mit einem einzelnen Federbein gedämpfte Schwinge nimmt gleichzeitig auch den Antriebsstrang auf. Die Kardanwelle steuert dabei ein Achsgetriebe an, das die Umdrehungen gleichmäßig an die Hinterräder weiterleitet. An der Front werkeln die von der Kodiak bekannten Doppelten A-Arms, hier wie auch hinten mit fünffach einstellbaren Dämpfern. Erst nach längerer Betrachtung fallen die feinen Unterschiede auf.

Der Motor ist zwar von den Eckdaten mit dem der Kodiak identisch, allerdings wurde der Zylinderkopfwinkel mit 45 Grad angelegt, um den Fahrzeugschwerpunkt nach unten zu verlagern. Überhaupt wurde auf die Gewichtsreduzierung sehr großen Wert gelegt. Mit einem angegebenen Trockengewicht von 234 Kilogramm wurden gegenüber der Kodiak beachtliche 34 Kilogramm eingespart. Dazu tragen die verwendeten Alufelgen einen großen Teil bei. Das Ultramatic Getriebe muss auf eine Untersetzung verzichten. Dafür bietet die Wolverine neben dem Vor- und Rückwärtsgang auch eine Neutral- sowie Parkstellung an. Vorn kommen zwei, hinten eine hydraulische Scheibenbremse zum Einsatz. Die größte Ähnlichkeit zu einem klassischen ATV suggeriert wohl ein kleiner roter Knopf am Lenker. Der zuschaltbare Allradantrieb wird damit in Gang gesetzt.

Die äußeren Merkmale der Wolverine 450 vermitteln aber einen ganz anderen Eindruck. Die Verkleidung ist stark an die neuen Gesichter der Yamaha Sport ATV wie zum Beispiel der 660 R angelehnt. Die Frontleuchten wurden sogar der YFZ 450 entliehen, was dem Fahrzeug in Verbindung mit dem breiten Bumper und den dahinter verbauten Luftleitflächen ein aggressives, sportliches Styling verleiht. Auch die Lenkergeometrie erinnert an die 660 R. Für ein Yamaha Sportquad eher untypisch, aber äußerst begrüßenswert ist der serienmäßige Tachometer. Der zeigt neben der Geschwindigkeit auch die Gesamt- und Tageskilometer, den Getriebegang und den Zustand des zuschaltbaren Allradantriebes an. Ein weiteres Indiz für die eher sportliche Orientierung der Wolverine ist der Verzicht auf einen vollwertigen Gepäckträger. Die Strategen der Yamaha-Schmiede bezeichnen die verlängerte Grab-Bar als „integrated cargo area“. Was nichts anderes heißt, das man mit einem Spanngurt etwas Gepäck daran befestigen kann. Das man, wie bei der Kodiak möglich, auch mal einen Baumstamm hinten drauf schnallt, wird sich in der Praxis als äußerst schwierig erweisen. Im Zubehörsortiment von Yamaha wird aber auch ein passendes Rack angeboten werden. Dafür findet sich unter der Sitzbank ein kleines Staufach für etwas Werkzeug und eine Dose Cola. Skeptiker könnten an dieser Stelle eine Verwandtschaft mit einem gängigen ATV zurückweisen und die Wolverine zu einem reinen Sport-ATV abstempeln. Die Werbeabteilung bei Yamaha will sich aber zu diesem Schritt nicht durchringen. Ein in der Präsentation bemühter Vergleich zu der Polaris Scrambler 500 wirkt nicht überzeugend. Vielmehr drängt sich dem Betrachter eine gewisse Ähnlichkeit zum Automatikbetriebenen Sportquad, der Kawasaki KFX 700 auf. Dabei wäre eine offene Ansage nachvollziehbar. Die 450er Klasse ist in diesem Segment bisher eher vernachlässigt worden. Yamaha muss sich mit der Neuvorstellung der Wolverine 450 4×4 also wirklich nicht verstecken.

Auf die Piste

Der zweite Tag des Events bringt trotz Skepsis die Sonne zurück und bietet uns damit beste Bedingungen im spanischen Hinterland. Das ausgesuchte Gelände zeigt sich von der besten Seite, staubfrei und mit ausreichend Regenwasser gefüllten Mulden. Spaß ist garantiert. Und los geht´s, aufsitzen und Tuchfühlung aufnehmen. Der erste optische Eindruck hat nicht getäuscht. Die Sitzposition passt auf Anhieb, der Lenker ist sportlich breit und leicht nach vorn geneigt. Ein Blick in Richtung Füße provoziert so etwas wie überrascht sein. Anstelle der vermuteten Fußrasten finden die Stiefel breite, geschlossene Floorboards vor, die an einem klassischen ATV eine Selbstverständlichkeit sind. Nach ein paar Metern Eingewöhnung muss die Wolverine zeigen was in ihr steckt. Wo immer die Strecke es zulässt, wird der Gashebel bis zum Anschlag durchgedrückt. Die Überraschung ist perfekt. Die 450er geht so vehement voran, das man sich schon als Sieger zukünftiger Beschleunigungsrennen wähnt. Die neuen 23 Zoll Maxxis Reifen mit radialem Profil krallen sich in den Untergrund und lassen kaum ein Durchdrehen der Räder zu. Eine wirklich gute Wahl für den vornehmlichen Einsatzbereich. Das Handling ist sehr sportlich orientiert, ein großer Lenkeinschlag ermöglicht einen kleinen Wendekreis. Bei schneller Fahrt über loses Gestein wird das Heck sehr leicht und springt schon mal etwas und versetzt die Fuhre in Querrichtung. Das kommt aber nicht als unangenehm rüber. Es stellt sich eher noch mehr das Gefühl ein, auf einem Sportquad zu sitzen. Die Automatik wirkt in der Beschleunigung im Vergleich zu einem Schaltgetriebe nicht als Nachteilig. Man empfindet das schaltlose Fahren schnell als angenehm und überhaupt nicht lasch.

Mit geringem Druck auf den Lenker lässt sich die Wolverine um die spitzesten Ecken manövrieren und das im schönsten Drift. Die schmale Sitzbank schafft eine große Bewegungsfreiheit bei gleichzeitig sicherem Stand auf den geräumigen Floorboards. Die Bremsen erfordern eine etwas erhöhte Hand- und Fußkraft, beißen dann aber ordentlich. Der linke Handbremshebel wirkt auf alle drei Scheiben. Der rechte Hebel spricht die vorderen Bremsen an, der Fußhebel wirkt auf die Bremse hinten. Mit Leichtigkeit geht es jeden vorhandenen Steilhang hinauf. Dabei hat man nicht das Gefühl, das am Ende die Leistung nicht ausreicht. Erst bei der Abfahrt an einem langen Hang fällt auf, das bisher der Allradantrieb noch gar nicht zum Einsatz gekommen ist. Beim Testen der Motorbremse an der Steilabfahrt, die das Fahrzeug automatisch einbremsen soll, stellt sich im 2-WD Modus ein etwas unsicheres Gefühl ein. Die Motorbremse wirkt nicht so stark wie erwartet. Die Scheibenbremsen müssen unterstützend eingreifen, wobei die Räder schnell blockieren. Im 4-WD Modus  geht es völlig anders zur Sache. Die Wolverine rollt ruhig und gleichmäßig ohne Hilfe der Bremsanlage die steilsten Abhänge hinunter. Der Allradantrieb bietet keinen Anlass zur Kritik. Stur klettert die 450er über die tiefsten Furchen im Gelände. Auch hier hinterlassen die neuen Maxxis Reifen einen sehr guten Eindruck. Der Gangwahlhebel ist für die Bedienung optimal positioniert. Größere Fahrer die sich sportlich auf dem ATV bewegen, stoßen aber schon mal mit dem Knie an die darunter liegende Ausbuchtung der Verkleidung. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist auf der rechten Seite zu vermerken. Der Fußbremshebel ist sehr klein geraten und in der Position zur Fußraste nicht optimal positioniert. Man muss den Fuß von der Raste nehmen, um den Hebel richtig zu treffen. Da es sich bei den Testfahrzeugen ausschließlich um so genannte „Pre Produktion“ handelt, die noch nicht in Serie produziert werden, kann an dieser Problematik noch gearbeitet werden.

Unser Fazit

Mit der Wolverine 450 4×4 hat Yamaha das ATV nicht neu erfunden. Aber ganz sicher eine Lücke im Sortiment gefüllt und sich damit ein weiteres mal von den Mitbewerbern abgegrenzt. Eine Zielgruppe vor Augen, die sich überwiegend gerne sportlich auch im Gelände fortbewegt, hat Yamaha ein kompromisslos kompromissfähiges Fahrzeug entwickelt. Damit bietet sich eine gute Alternative zum klassischen ATV mit vielen ATV-typischen Eigenschaften, aber auch zusätzlichen, sportlichen Elementen.

 

Text: Frank Meyer

Fotos: Yamaha

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