Jäger und Gejagte

Written by on 6. Dezember 2016 in Allgemein, Test + Technik, Yamaha

Exeet steht für exquisite und edle Quad-Kreationen aus der Schmiede von Sebastian Jornitz. Mit dem Modell Vario 580 stellt der leidenschaftliche Konstrukteur wieder einmal alle eingefahrenen Vorstellungen von einem Quad auf den Kopf.

Manchmal, aber auch wirklich nur manchmal überkommt es einen. Da hat man endlich mal wieder Zeit eine nette Ausfahrt zu machen und will einfach nur die Landschaft genießen und von hinten nähert sich ein Artgenosse. Der will überholen? Geht gar nicht! Und schon ist der Bummel-Modus Schnee von gestern. Spätestens jetzt kann man sich glücklich schätzen, einen ausreichend motorisierten Untersatz zu haben. Die neueste Kreation aus der Exeet-Schmiede ist auf jeden Fall ein ganz heißes Eisen im Fegefeuer der Eitelkeiten. Die Kurvenhatz kann beginnen.

aufmacher

Von Sebastian Jornitz sind wir ja schon einiges gewohnt. Seine Custom-Umbauten die in der Szene unter dem Namen „Exeet“ bekannt sind, haben schon oft Grenzen der Machbarkeit ausgelotet. Dabei schaut der pfiffige Tüftler auch über jeden Tellerrand hinaus und macht sich frei von allen Zwängen. Das Hauptaugenmerk legt das Exeet-Team stets auf die Fahrbarkeit und das Handling der Umbauten. Darin liegt im Grunde auch die größte Schwierigkeit. Grundsätzlich für den extremen Geländeeinsatz konzipierte Fahrzeuge an einen völlig anderen Einsatzzweck anzupassen. Sebastian Jornitz hat sein Talent dafür bereits unter Beweis gestellt. Die Projekte „Black Bull“ oder „Concept 12H“ (auf der Webseite www.exeet.de zu finden) zeugen von der Kreativität des studierten Firmenchefs. Jetzt kommt er also wieder mit einer völlig neuen Kreation um die Ecke und überrascht natürlich wieder wie gewohnt die Szene. Die Quadwelt hat sich exklusiv die erste Testfahrt mit dem coolen Gefährt auf Basis eines Yamaha Motorschlittens gesichert und stellt Euch das Power-Geschoss hier ausführlich vor.

Jagdrevier: Die neue Exeet fühlt sich auf asphaltierten Wegen sehr wohl.

Außergewöhnlich

Motorschlitten sind in Deutschland wenn überhaupt nur in ganz wenigen Regionen ein saisonaler Anblick. In den überwiegenden Landesteilen sieht man diese Fahrzeuge so gut wie nie. Das könnte sich allerdings durch den Exeet-Umbau des Yamaha Motorschlittens „Phazer R-TX zum Quad grundlegend ändern. Das für den Straßeneinsatz optimierte Vehikel lässt sich unabhängig vom Untergrund und zu jeder Jahreszeit einsetzen. Der Schlitten verfügt standardmäßig über einen Hochleistungs-Zweizylinderreihenmotor, der aus 499 Kubikzentimeter Hubraum echte 80 PS erzeugt. Die Besonderheit an diesem exklusiven Fahrzeug ist das CVT-Automatikgetriebe, das auch über einen Rückwärtsgang verfügt. Hier sieht Sebastian Jornitz auch den meisten Nutzen für eine völlig neue Kundengruppe. Nicht jeder kommt mit einer Fußschaltung zurecht, deshalb sind leistungsstarke Quad und ATV mit Automatikgetriebe sehr beliebt. Im Sportbereich gibt es aber kaum einsetzbare Fahrzeuge mit Automatik, hier setzt das Exeet-Motorschlitten-Quad ein Ausrufezeichen.

Liegt gut: Der Schwerpunkt ist weit unten, das Handling easy.

Sebastian Jornitz amputiert dem Schlitten die vorderen Kufen und den hinteren Track-Kit. Die doppelten A-Arms vorn werden für die neue Radaufhängung genutzt. Der bereits im Schlitten verbaute Stabilisator kann auch nach dem Umbau seine Funktion sehr gut unter Beweis stellen. Hinten kommt eine klassische Achse zum Einsatz, die sich auf dem vorhandenen Federbein abstützt. Ein sehr großer Vorteil der Phazer ist das hervorragende Fahrwerk, das auf große Federwege und beste Dämpfereigenschaften ausgelegt ist. Die Federbeine bleiben beim Umbau also unangetastet. Lediglich das Setup muss auf den härteren Straßenbelag angepasst werden. Der hintere Gasdruck-Dämpfer ist einstellbar und verfügt über einen Ausgleichsbehälter. Vorn finden sich zwei FOX FLOAT 2, die sich mittels Pumpe einstellen lassen. Soweit also sind die Unterschiede zum klassischen Quad gar nicht so groß.

Vorsicht: Manchmal wird der Jäger zum Gejagten, aber nur bis zur nächsten Kurve.

Beim ersten Aufsitzen finden sich aber doch ein paar ungewohnte Dinge. Die ziemlich breite und weiche Sitzbank kommt einem zunächst fehl am Platz vor. Aber insbesondere bei längeren Touren kann das Teil doch überzeugen. Die vom Schlitten extrem großen Trittplatten sehen zwar eigenartig aus, bieten aber guten Halt und ausreichend Bewegungsfreiheit  für die Füße. Nicht nur optisch ist die Gewichtsverteilung extrem frontlastig. In Verbindung mit der sehr breiten Vorderachsgeometrie kommt das aber der Kurvenstabilität nur entgegen. Der hohe Lenker mit seinen nach unten gekröpften Enden ist ebenso gewöhnungsbedürftig, aber das Handling wird nicht beeinträchtigt. Zur Massenzentralisierung und somit ebenfalls zur Geradeausstabilität trägt der mittig verlaufende Underseat-Auspuff bei. Oberhalb des Fahrwerks wird für den Straßeneinsatz nur noch die Beleuchtung angepasst. Und ein zusätzlicher Kühler sorgt für den Einsatz auch bei sommerlichen Temperaturen, für die der Motorschlitten ja grundsätzlich nicht vorgesehen ist.

Instinktiv: Sobald Artgenossen auftauchen, juckt der Gas-Daumen.

Ski- und Rodel gut!

So sagt man, wenn die winterlichen Bedingungen auf den Pisten viel Fahrspaß garantieren. Viel Fahrspaß ist mit dem Motorschlitten-Quad aber auch im Sommer auf aufgeheizten Asphaltbändern angesagt. Schon nach wenigen Metern ist man grundsätzlich mit den leicht eigenen Fahreigenschaften des Exeet-Schlittens vertraut. Die Anfahrdrehzahl ist ziemlich hoch, aber wenn die Fliehkraftkupplung den Antriebsriemen erst mal zwischen die Scheiben presst, gibt’s kein Halten mehr. Der Druck auf den Daumengashebel wird unmittelbar in Vortrieb umgesetzt. Jetzt realisiert man erst, dass hier 80 Pferdestärken losgelassen werden. Unfassbar, wenn man bedenkt das die aus winzigen 499 Kubikzentimetern Hubraum gequetscht werden. Wir glauben, dass die Traktion die auf die zwei fetten Hinterräder wirkt, in etwa mit der Traktion des originalen Antriebs-Tracks vergleichbar ist.

Länge läuft: Der Radstand der neuen Exeet ist bemerkenswert.

Die vorderradlastige Gewichtsverteilung macht in Verbindung mit der fetten Leistungsausbeute des Zweizylinders den Drift in Kurven zur einfachen Übung. OK, etwas Übung erfordert es doch, aber mit jedem Kilometer mehr auf der Uhr fällt es leichter. Und mit jeder weiteren Minute auf der Sitzbank wächst auch das Selbstbewusstsein, sein Revier zu verteidigen. An einem sonnigen Tag können die eingangs erwähnten Artgenossen auf zwei oder vier Rädern also schnell zur Beute erklärt werden. Wir ertappen uns jedenfalls im Kurvengeläuf der Eifel dabei, jedem in Sichtweite auftauchenden Schräglagen-Artist den fetten Auspuff zu zeigen. Auch wenn man das Verhalten nicht gutheißen sollte, manchmal muss es eben sein. Nachmachen? Nur wer sich selbst im Griff hat.

Locker vom Hocker: Die Exeet lässt sich mit wenig Körpereinsatz gut dirigieren.

Die Exeet ist ein geeigneter Untersatz. Das Quad fährt quasi wie auf Schienen, der Geradeauslauf auch auf schlechter Fahrbahn ist hervorragend. Der breite Lenker muss zwar mit etwas Kraft in die Kurve gezwungen werden, aber eine einmal angepeilte Linie wird konsequent nachgefahren. In brenzligen Situationen packen die drei Scheibenbremsen ordentlich zu. Aber auch im Normalbetrieb lässt sich die Bremsleistung fein dosieren. Die manuelle Schaltung eines klassischen Straßenquads vermisst man jedenfalls in keiner Sekunde. Die Exeet fährt sich trotz des stattlichen Eigengewichtes sehr leichtfüßig und bietet dem Fahrer einen relativ guten Komfort. Lediglich der Daumengashebel könnte etwas leichtgängiger arbeiten.

Stattliche Erscheinung: Als wenn der Organspender nur auf sein Comming-Out als Sommerliebhaber gewartet hätte.

Apre Ski gehört dazu

Nach einer schönen (Ab)Fahrt auf herrlichen Pisten ist eine zünftige Einkehr Pflicht. Wer mit dem Exeet-Motorschlitten-Quad am Treff einschlägt, dem ist die Aufmerksamkeit der Kollegen gewiss. Da muss man mit Sicherheit auch eine Portion Gelassenheit an den Tag legen, denn nicht jeder wird sich für die extravagante Konstruktion begeistern. Aber wer sich für das Besondere entscheidet, der wird mit zwiespältigen Reaktionen leicht fertig. Und die Gewissheit, bei der nächsten Eiszeit seinen fahrbaren Untersatz mit wenigen Handgriffen an die äußeren Bedingungen anpassen zu können, das hat ja auch was für sich.

 

Text und Fotos: Frank Meyer

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