Fahren wie Gott in Frankreich

Written by on 17. März 2022 in Unterwegs

Das ist Urlaub! Kein Fernbahnhof, kein Autobahnanschluss, kein Flughafen: Die Ardèche im Süden Frankreichs ist ganz schön entschleunigt. Auch das Département Haute-Loire – gleich nebenan – liegt fern von Hektik und Stress. Genau die richtige Gegend für beschauliche Touren in grandioser Landschaft.

Cora Stephans Augen leuchten, wenn sie von ihrer Wahlheimat – dem Örtchen Laurac-en-Vivarais und dessen Umgebung – erzählt. Und unsere Augen leuchten ebenfalls, bei der Aussicht auf die kommenden Touren ebenda. Die erfolgreiche Schriftstellerin kennt die Gegend und lässt ihre Kriminalromane genau dort spielen, wo Frankreichs Süden wohl am Schönsten ist: Im Vivarais, wie das Département Ardèche und die angrenzenden Gebiete der Haute-Loire von den Einheimischen genannt werden. „In tiefen Schluchten“ heißt eines ihrer spannenden Bücher, welches sich zwischen den Zeilen sogar als Reiseführer entpuppt. Cora beschreibt nämlich treffend die Charaktere und Eigenheiten der Bewohner sowie die Schönheit der Landschaft. Diese tiefen Schluchten sind am besten auf zwei, drei oder vier Rädern zu erfahren.

Savoir-vivre

Erfahren ist durchaus wörtlich zu nehmen: die engen Straßen und kleinen Pässe sind wie gemacht für uns Frischluftfahrer. Wenig Verkehr, viele Kurven, beschauliche Ortschaften und eigentlich „immer“ schönes Wetter. Klingt wie eine Einladung. Es ist auch eine. Ausgesprochen von den Einheimischen, die Reisende gerne aufnehmen und zeigen, was die Region zu bieten hat und wie man lebt. Zum Beispiel auf dem Weingut Notre Dame de Cousignac aus dem 17. Jahrhundert, dem Ort, wo Cora aus dem Schwärmen nicht mehr herauskommt. Rachel und Raphaël Pommier verwöhnen ihre Gäste mit rustikalen Zimmern, gutem Wein und tollem Essen. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch jeden Aufenthalt in den beiden Départements zieht. So auch in den Gites genannten, einfachen, aber sauberen, stets familiengeführten Unterkünften. Oft in Privathäusern oder in einen Bauernhof integriert, wohnt und speist man landestypisch und preisgünstig zusammen mit den Gastwirten. Eine sehr gute Möglichkeit für unsere Gruppe, auf ihrem Streifzug durch die Landschaft.

Dieser Streifzug ist mehr als eine Tour auf kurvigen Serpentinen und abgelegenen Landstraßen. Es empfehlen sich die mit „D“ und einer Nummer gekennzeichneten Straßen im jeweiligen Département. Sie führen garantiert über Land und in die entlegensten Winkel. Vom Frühjahr bis in den späten Herbst hinein ist Reisezeit in der Ardèche und Haute-Loire. Es bläst uns stets eine leichte Brise entgegen, während die Sommer heiß werden können. Zu jeder Jahreszeit strahlt aber die Landschaft in tollen Farben, Gerüche wechseln hinter jeder Ecke. Thymian- und Lavendelduft steigt in unsere Nasen. Mitten in der vermeintlichen Einöde finden sich Naturschauspiele wie Grotten, Schluchten und Höhlen, die zu Urzeiten von unseren steinzeitlichen Vorfahren bewohnt wurden. Ebenso abgeschieden liegen alte Ortschaften. Wie etwa Balazuc, malerisch gelegen auf der Spitze eines steilen Felsenhanges, der den Fluß Ardèche überragt. Allein deshalb ist das Dorf als eines der plus beaux villages de France – der schönsten Frankreichs – klassifiziert. Ehemalige Maultierstationen liegen auf der Route, wo im Mittelalter Mensch und Tier rasteten. Heute oftmals als urige Gastronomie verwendet.

Geschichte(n) erfahren, erleben und erzählen

Geschichte ist allgegenwärtig in unserem Reisegebiet. Das wird vor allem in Le Puy-en-Velay deutlich. Der Hauptort der Haute-Loire hat eine sehenswerte Altstadt. Von hier starten zahllose Pilger täglich aus der Kathedrale heraus auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. An jeder Ecke lässt sich die bewegte Historie erleben, aber auch Geschichten. Eine ältere Dame namens Christine erzählt vom Klöppeln, der alten Handarbeitstechnik zur Herstellung von Spitze. Ihre Augen strahlen dabei wie die von Cora wenige Tage zuvor. Geschichten lassen sich finden in der Garage von Alain Froment, der in seiner Ölivenöl-Mühle in Les Vans alte Motorräder hortet. Modelle, die jedem Technikmuseum zur Ehre gereichen würden. Allesamt funktionstüchtig! Oder in der Brauerei von Xavier Clairget. Mit seiner Frau braut er ein lokales Bier mit dem Wasser der Ardèche. Allein der Schankraum ist einen Stopp wert. Es sollte aber der letzte des Tages sein, denn fahrtüchtig verlässt man die Gaststube wahrscheinlich nicht.

Ebenfalls anzutreffen sind Offroad-Fahrer. Unzählige Schotter- und Waldwege durchziehen die Gegend. Sie sind legal befahrbar, wenn man bereit ist, ein paar einfache Regeln zu beachten. Die einfachste ist, einen Guide zu buchen. Ortskundige Führung bietet auf Anfrage zum Beispiel Enduro Fun-Tours aus Burg im Dithmarschen. Mit diesem findet man die besten Schotterpässe und Wurzelteppiche ohne sich in der Wildnis zu verfahren. Die Franzosen sehen solches Fahren gelassen. Man weiß hier offenbar, dass selbst der gröbste ATV-Reifen einem mit Steinen verblockten Karrenweg nichts anhaben kann. Wir bleiben aber auf der Straße und erleben auch dort viele Abenteuer.

 

 

Spektakuläre Aussichten, alte Brücken und schmale Passstraßen. Der Wechsel zwischen den beiden Départements ist meist nur an der Beschilderung nachvollziehbar. Beiden gleich ist der Landschafts- und Kulturraum mit seinen Ausläufern der Cevennen. Wobei jeder Tourenfahrer die reichhaltige Abwechslung bald zu schätzen weiß. Mal zeigt sich die Umgebung karg und steinig, dann wieder saftig grün und die Sträßchen folgen einem Flusslauf.

Am Ende einer ereignisreichen Woche treffen wir uns wieder bei Raphaël auf dem Weingut. Die Gruppe aus Motorrad-, Quad- und Spyder-Fahrern hat bestens harmoniert, da die Streckenführung uns alle gewissermaßen auf ein moderates Tempo festlegte. Bei einem guten Wein und leckerem Essen erzählen wir vom Vivarais. Mit leuchtenden Augen!

Mehr Infos: https://ardeche-guide.com/ und https://www.auvergnevacances.com

Text: Ralf Wilke
Fotos: Thomas Krämer, Daniel Riesen, Ralf Wilke

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