Richtig sitzen will gelernt sein

Written by on 23. Februar 2020 in Allgemein, Szene

Viele Gefahren lauern beim Quad- und ATV-Fahren. Sie zu erkennen, möglichst zu vermeiden, bestenfalls souverän zu bewältigen ist das Ziel des Fahrsicherheitstrainings vom ADAC. Wir trafen uns in Grevenbroich und erweiterten unseren Horizont.

Melanie hat ihre TGB Blade jetzt seit rund drei Monaten. Sie fühlt sich grundsätzlich wohl auf vier Rädern. Doch seitens ihres Händlers bekam sie weder Hinweise auf die Fahrdynamik und Eigenschaften eines ATVs, noch Tipps für deren Handling. Nach dem Kauf wurde die Münsterländerin sozusagen einfach auf die Menschheit bzw. den Straßenverkehr losgelassen. Eine Situation, die Melanie so gar nicht behagt: „Ich hätte mir schon etwas mehr Unterstützung gewünscht“, sagt sie rückblickend, hatte jedoch zunächst nicht über derartige Probleme nachgedacht. „Jetzt, unterwegs mit meinem ATV, merke ich, dass es die eine oder andere Unsicherheit bei mir gibt. Und bevor sich Fahrfehler einschleichen und verfestigen, lasse ich mich lieber einmal ordentlich ausbilden.“

Die Möglichkeit das zu tun, bietet das Fahrsicherheitszentrum des ADAC im niederrheinischen Grevenbroich in Nordrhein-Westfalen. „Die Erfahrungen als ATV-Fahranfängerin macht Melanie nicht alleine. Das ist kein Einzelfall“, berichtet Trainer Ralf Gottwald aus der Praxis. Der erfahrene Coach wünscht sich, dass eine gründliche Einweisung ihrer Kundschaft für die Händler verpflichtend wäre. Denn laut Statistik passieren die meisten Unfälle mit Quads und ATVs in den ersten Tagen nach dem Kauf. Wer in der Szene kennt nicht sogar selbst eine Story von einer schief gegangenen Probefahrt? „Ohne dass der Neuling was dafür kann, schleichen sich Fehler in der Handhabung der Vierräder ein. Oftmals schon mit der Sitzposition.“

Ralf beginnt daher seine Kurse stets nach der Einschleusung und dem Eröffnungsgespräch mit einer Sitzprobe. Wie die richtige Position aussieht, macht er vor, korrigiert die eines jeden Teilnehmenden individuell. Selbst die alten Hasen nehmen noch den einen oder anderen Tipp mit und feilen an ihrer Haltung. Locker und entspannt statt mit durchgestreckten Armen – einer der häufigsten Fehlhaltungen – lässt sich das Fahrzeug viel sicherer pilotieren. Kopfschütteln bei allen Teilnehmenden ruft dagegen die Tatsache hervor, dass es immer noch Einsteiger gibt, die die Bedeutung von Sicherheitskleidung unterschätzen. Im theoretischen Teil des Kurses wird auch das erörtert.

Praxis für die Praxis

Allerdings prägt ein ausgiebiger, praktischer Anteil die rund achteinhalb Stunden Ausbildung. Der Kilometerstand unseres Testfahrzeugs zeigte anschließend beachtliche 40 Kilometer mehr an. Zurückgelegt auf dem etwa 120.000 qm großen Areal, wo sogar Geländeeinlagen möglich sind. Letzteres ist ebenfalls Bestandteil des Trainings für 119,- Euro. Ein Betrag, der sich nicht allein deswegen lohnt. Wir feilen nämlich ebenso an der Körperhaltung und der Gewichtsverlagerung. Basics des Quadfahrens, welche insbesondere in Gefahrensituationen noch wichtiger werden. So lässt Ralf Gottwald seine zwölf Schützlinge eine Bremsung nach der anderen durchführen, bis die Kontrolle aus verschiedenen Geschwindigkeiten in Fleisch und Blut übergeht. Gesteigert wird das Ganze dann durch kontrollierte Ausweichmanöver und Nässe. Bekanntermaßen gelten dabei nochmal ganz andere Kriterien. „Mein Ziel ist es“, erläutert Ralf den Ausbildungsplan, „dass bestimmte Dinge quasi automatisch ablaufen, ohne darüber nachdenken zu müssen.“ Denn schon eine Sekunde „Bedenkzeit“ bedeutet bei Tempo 50 bereits eine zurückgelegte Strecke von 15 Metern. „Zu viel im Notfall!“ Wer für Ausweichmanöver, Notbremsungen und Kurvenfahrten übt, wappnet sich.

Besonderen Wert legt Ralf auf die Blickführung während der Fahrt. Insbesondere in den Kurven, die wir reichlich durchfahren, bringt vorausschauende Fahrweise viel Sicherheit. In Verbindung mit den zuvor geübten Elementen steigt das Fahrerlebnis. Melanie ist sehr zufrieden mit sich und dem Kursverlauf, wird von Stunde zu Stunde sicherer. Auf einer nassen Gleitfläche üben die fortgeschrittenen Fahrer das dosierte Gas geben. Pirouetten inbegriffen. „Es gibt immer noch was dazuzulernen“, resümiert Stephan. Was sich insbesondere im Geländeteil der Ausbildung bewahrheitet. Loser Untergrund, steile Auffahrten, Schotter und Geröll: wer hier zurechtkommt, hat sein Fahrzeug auch im Straßenverkehr besser im Griff. „Es geht um das Gefühl für sein Fahrzeug, um dessen Grenzen auszuloten. Das schafft Vertrauen in die Technik und in sich selbst als Fahrer.“ Ralf Gottwald kann für jede Erfahrungsstufe sozusagen „eins drauflegen“. Die Motorkraft dosieren, Kipp- und Neigungspunkte kennen, ebenso die Überhänge des Gefährts. Alles erklärt er geduldig bis es bei jedem sitzt.

Sehr empfehlenswert

Das Fahrsicherheitstraining bietet für jeden Etwas. Einsteiger gewinnen Fahrpraxis und Sicherheit, Fortgeschrittene können abseits des Verkehrs unter sicheren Bedingungen ihre Grenzen ausloten und ihre Fahrerfahrung steigern. So viel nehmt ihr jedenfalls aus keinem Online-Casino mit… Kurze theoretische Abschnitte runden den Tag ab, der mit einer Urkunde belohnt wird. Melanie nimmt sogar noch mehr mit. Sie weiß jetzt, warum ihre TGB eine Untersetzung hat und kann sie auch nutzen. Schrägfahrten und ein ausbrechendes Heck haben ihren Schrecken verloren. Ihren Händler wird sie wohl dazu nicht mehr fragen müssen.

Text: Ralf Wilke

Fotos: Frank Meyer

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