Klassik-Test Kawasaki KFX 700

Written by on 5. November 2017 in Allgemein, Kawasaki, Test + Technik

Kawasaki hat sich in den Neunzigern vom aufstrebenden Markt ein wenig abhängen lassen. 2003 war es Zeit für den Gegenschlag. Die Rache in Form der KFX 700 V-Force hat den Mitbewerbern einen ordentlichen Dämpfer verpasst.

V wie Vendetta

Kawasaki, als einer der ersten Serienhersteller für ATV und Quad, hat sich in den Neunzigern vom aufstrebenden Markt ein wenig abhängen lassen. Yamaha und BRP haben sich vor allem im Sportsektor in den USA mit hubraumstarken und aggressiv gezeichneten Quads an die Spitze geschoben. 2003 war es Zeit für den Gegenschlag. Die Rache in Form der KFX 700 V-Force hat den Mitbewerbern einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Das Styling und vor allem das ungewöhnliche Konzept eines Sportquads mit CVT-Automatik hat den Nerv der Zeit getroffen und für hohe Nachfrage bei der Kundschaft gesorgt. Das hat bis heute Bestand. Grund genug, dieses revolutionäre Fahrzeug noch einmal von allen Seiten zu betrachten.

(Hinweis: Der Beitrag wurde erstmals in der Quadwelt-Ausgabe 06/2009 veröffentlicht. Technische Angaben entsprechen nicht allen Modelljahren)

Bei aller Euphorie, die die KFX 700 damals wie heute erzeugte, wollen wir nicht verschweigen, dass dieses Konzept eines ATV im Sportgewand keine Erfindung von Kawasaki ist. Polaris hat bereits viele Jahre vorher mit der Scrambler 500 ein Sportquad auf der Basis eines ATV im Programm gehabt. Dieses Modell hat allerdings in Europa nur mäßige Aufmerksamkeit erregt. Die Optik war eher altbacken und konnte den europäischen Geschmack nicht ganz treffen. Mittlerweile bieten viele Hersteller sportliche Quads mit Automatikgetriebe an. Doch die KFX ist bis heute einzigartig geblieben.

Der Plan

Die Kawasaki Ingenieure haben sich mit der Entwicklung der KFX auf Neuland begeben. Wie macht man aus einem bewährten ATV ein Quad für den Freizeit- und Sporteinsatz? Man hat sich dazu entschieden, alles Bisherige über Bord zu werfen und fast bei null anzufangen. Einen leistungsstarken und bewährten Motor hatte man schon. Die KVF 700 war damals eines der hubraumstärksten ATV weltweit und die Power hat man nur zu gern in das Projekt KFX übernommen. Alles drum herum wurde neu konzipiert und auf den Punkt genau für den anvisierten Einsatzzweck abgestimmt. Viel Leistung, so wenig Gewicht wie möglich, gutes Handling, Wendigkeit, Komfort und Geländegängigkeit waren die geforderten Attribute.

Das meiste davon konnte man umsetzen. Beim Gewicht muss man aber Kompromisse machen, über 270 kg sind heute wie damals für ein Sportquad eine ziemliche Hausnummer. Die 49 PS des Modelljahrgangs 2003, dem ersten, waren damals aber sehr beeindruckend. Aus heutiger Sicht kann die Leistungsangabe nicht mehr ganz überzeugen, vor allem im Vergleich zu anderen Herstellern im Premiumbereich. Neben der einzigartigen Kombination eines hubraumstarken Zweizylinders mit Automatikgetriebe in einem Sportquad, hat Kawasaki damals aber noch weitere Innovative Ideen realisiert.

Die Umsetzung

Das Prinzip einer im Ölbad laufenden Mehrscheibenbremse war bei der KVF 700 eine völlig neue Idee. Für die KFX musste dieses System aber komplett neu entwickelt werden. Die Bremse musste also direkt auf der starren Hinterachse Platz finden. Das hat Kawasaki ordentlich hinbekommen. Die hintere Bremse ist damals wie heute ein Meilenstein im Quadbau. Um einen möglichst tiefen Schwerpunkt zu finden, wurde der Tank kurzerhand ins Heck unter die Sitzbank verbannt. Dort wo normalerweise der Spritbehälter vermutet wird, fand der Luftfilterkasten genügend Raum. Durch den relativ hoch angeordneten Lufteinlass hat man der KFX auch akzeptable Tauchfähigkeiten mit auf den Weg gegeben.

Die größte und bis heute einzigartige Innovation wurde der Schaltung spendiert. Anstatt eines üblichen Handhebels für die Automatik-Schaltung verfügt die KFX über einen Drehschalter direkt am linken Lenkergriff. Ohne die Hand vom Lenker nehmen zu müssen, lässt sich die Fahrstufe Vor- oder Rückwärts anwählen. Einen kleinen Knopf drücken, das Griffrad drehen und weiter geht’s. Erstaunlich, dass dieses System bisher noch nicht von den sonst so kopierfreudigen Chinesen aufgegriffen wurde. Auch in Sachen Endantrieb hat man sich bei Kawasaki Gedanken gemacht. Die Erfahrungen aus dem ATV-Bau haben schließlich dazu geführt, einen sauberen und wartungsarmen Kardanstrang zu verwenden. Der einrohrige Rahmenunterzug an der Vorderachse sorgt für gutes Handling, große Federwege und wenig Gewicht vorn. Diese Leichtigkeit ist bei jedem beherzten Gasstoß durch die abhebenden Vorderräder spürbar. Ansonsten hat man bei der KFX viel Wert auf ein ungewöhnliches und unverkennbares Styling gelegt. Eine leicht demontierbare Verkleidung für Wartungsarbeiten gehört auch dazu. Mit den verchromten Felgen hat Kawasaki bereits vor sechs Jahren den Geschmack der Kunden getroffen.

Das Ergebnis

Mit der Vorstellung der KFX 700 V-Force im Jahr 2003 hat Kawasaki auf einen Schlag weltweit die Quadfans in Aufruhr versetzt. Was für eine Maschine. Tolles Aussehen, genügend Leistung und einfachste Handhabung konnten damals und können heute noch überzeugen. Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wieder Gelegenheit, die KFX auf allen möglichen Untergründen auf Herz und Nieren zu prüfen. Dennoch haben wir uns auch für diesen Bericht noch einmal eine Testmaschine organisiert, wenn auch leider ohne Straßenzulassung. Also mussten wir uns bei dieser erneuten Fahrprobe auf den Geländeeinsatz beschränken. Wir haben nichts vermisst, ehrlich gesagt. Die KFX macht Offroad einfach irre Spaß. Auch wenn man, wie in unserem Fall, immer wieder nur über einen relativ kurzen Zeitraum in den Genuss einer KFX kommt, so bringt das dem Fahrspaß keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. So entfaltet sich immer aufs Neue ein ganz besonderes Fahrgefühl.

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Besonders beeindruckend ist es, die Leichtigkeit der KFX Front zu spüren. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Jahrgängen durchaus unterschiedliche Empfindungen. An der aktuellen Testmaschine enttäuschen uns die Bremsen. Ziemlich schwammig und nicht sehr überzeugend in der Leistung. Das haben wir schon besser erlebt. Diese Erfahrung haben im Übrigen auch viele Käufer gemacht. Die eine Maschine steht auf kürzestem Bremsweg ohne Kraftaufwand, eine andere lässt den Bremsvorgang unendlich schwer und zu lang erscheinen. Dafür sind der Komfort und die einfache Bedienung immer gleich gut auf einem hohen Niveau. Die CVT-Automatik kann jedenfalls stets aufs Neue begeistern. Im Original-Setup ist die KFX für den Enduro-Einsatz wie gemacht. Und das seit Jahren völlig unverändert und ohne großes Update, weder optisch noch technisch. Ist die KFX also die Antwort auf alle Fragen, welches Quad im Gelände das Beste ist? Das wäre für Kawasaki sicher die Erfüllung aller Wünsche. Leider hat sich dies nur zu einem kleinen Teil erfüllt. Die Verkaufszahlen sind besonders in Europa weiterhin sehr zufriedenstellend. Allerdings setzen rund 90 Prozent aller V-Force Eigentümer Ihr Quad komplett anders ein als ursprünglich angedacht. Asphalt ist also der bevorzugte Untergrund. Dementsprechend rührig ist die Szene bei der Optimierung der KFX an die veränderten Anforderungen.

Eine Handvoll deutscher Händler hat sich bereits früh der Ansprüche der Kundschaft angenommen und in allen Bereichen wie Leistungs- und Fahrwerkstuning, oder optischer Aufwertung gute Arbeit geleistet. Umbach oder Rabenbauer, diese Namen sind sicher jedem KFX Fahrer geläufig. So hat der Kawasaki-Händler Rabenbauer eine größere Achsübersetzung zur Drehzahlsenkung und eine verlängerte Schwinge entwickelt, die in Verbindung mit entsprechenden Fahrwerkskomponenten eine wesentliche Verbesserung für den Straßenbetrieb bewirkt.

Auch Änderungen der Variomatik haben sich als sinnvoll durchgesetzt. Selbst vor einer motorseitig geänderten Getriebeübersetzung macht der Kawa-Händler nicht halt. Selbstverständlich sind alle Umbauten vom TÜV abgesegnet. Für uns unverständlich, mittlerweile gibt es auch Änderungskits mit denen man die praktische Lenkerschaltung zu einer ATV-üblichen Hebelschaltung umwandelt. Hier scheint es aber tatsächlich eine  Nachfrage zu geben. Die Anregungen zu solchen und vielen anderen Verbesserungen kommen aber meist direkt von den Kunden.

Vendetta erfolgreich

Nach sechs Jahren KFX Geschichte kann man von einem unvergleichlichen Erfolg sprechen. Nahezu unverändert erfreut sich dieses Modell einer hohen Nachfrage. Vielleicht ist das auch das Geheimnis des Erfolgs, eine sture Kontinuität und der Glaube von Kawasaki ein wirklich gutes Produkt geschaffen zu haben. Gerüchte, nach denen es in naher Zukunft ein Nachfolgemodell geben soll, sind derzeit wohl mehr Wunschgedanken der eingefleischten KFX-Fans. Kawasaki sieht bisher keinen Anlass, auch nur einen Kommentar zu dem Thema abzugeben. Aber genau so hat man damals auch die Vorstellung der 700er KFX bis zum Pressetermin geheim gehalten. Eine KFX mit dem Motor der KVF 750, der übrigens über eine Einspritzanlage verfügt, wäre aber keine wirkliche Überraschung. Um die Freunde der Kawa-Quads so wie vor Jahren aus den Socken zu hauen, müssten sich die Ingenieure noch einmal selbst übertreffen. Eine enorme Herausforderung, aber nicht unlösbar. Vielleicht wird’s ja was im verflixten siebten Jahr?

Text: Frank Meyer

Fotos: Kawasaki, reygondeau.com, Frank Meyer

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