Klassik-Test: Hochstapler & Tiefflieger

Written by on 16. Mai 2016 in Allgemein, Herkules

In einer früheren Ausgabe der Quadwelt haben wir die Adly Hurricane 400 XSM Supermoto einem Fahrtest unterzogen. Danach brachte Importeur Euromotor den Ableger Hurricane 400 XS heraus. Ein Fahrzeug, zwei unterschiedliche Einsatzbereiche – Supermoto und Offroad. Sind die beiden wirklich so verschieden, oder lassen sich die gemeinsamen Gene nicht verleugnen? Wir haben es ausprobiert.

Ungleiche Brüder: Äußerlich sind die Unterschiede kaum zu sehen, die Charaktere weichen aber voneinander ab.

Normalerweise ist die Vorgehensweise bei der Überarbeitung der Modellpalette anders. Ein Sportquad, mit allem was man für eine zünftige Offroad-Tour braucht, erblickt das Licht der Welt und der Kunde merkt schnell, das er mit dem Teil einfach nicht ordentlich zügig auch auf der Straße unterwegs sein kann, weil die Karre viel zu Soft abgestimmt ist. Also wird entweder mit entsprechendem Zubehör das Fahrwerk umgerüstet, oder man wartet einfach, bis der Hersteller selbst ein „Spezial-Modell“ für den Straßeneinsatz auf die Räder stellt. Euromotor hat mit den Adly-Quads schon eine ganze Reihe solcher Straßenflitzer auf Basis von Sportquads im Programm. Diesen Sommer hat die neue 400er Hurricane erstmals in der Supermoto-Version den Markt bereichert, ein Grundmodell war zunächst nicht im Gespräch. Nun also doch, Euromotor schickt uns die Hurricane 400 XS als echtes Offroad-Quad zum Test. Klar, dass wir die ungleichen Zwillingsbrüder umgehend zum Familienduell bitten.

Offensichtlich: An der Bereifung lassen sich die beiden Zwillingsbrüder noch am ehesten erkennen.

Kleine Ursache, große Wirkung?

Bei der Suche nach den tatsächlichen Unterschieden zwischen den zwei Modellen muss man schon genau hinschauen. Natürlich sofort augenscheinlich sind die unterschiedlichen Reifen und Räder. Bei der Supermoto XSM sorgen Maxxis Spearz Reifen für satte Auflagefläche und endlosen Gripp. Am Offroader XS kommen griffige Kenda Klaw XCR Stollenreifen zum Einsatz. Die Supermoto glänzt mit zweifarbigen Aluminiumfelgen, die XS verfügt über schwarz lackierte Stahlfelgen, die dem harten Geländeeinsatz standhalten. Der offensichtliche Höhenunterschied wird also von den Reifen beeinflusst und natürlich zusätzlich von einem anderen Fahrwerk. Das beschränkt sich aber auch nur auf die Verwendung unterschiedlich langer Dämpfer. Im Fall der Supermoto sind die Federn einfach ein paar Wicklungen kürzer, somit kommt das Chassis also dem Erdboden näher. Über alles sind das immerhin 15 Zentimeter. Bei der tatsächlichen Bodenfreiheit ist der Unterschied zwischen den beiden Fahrzeugen aber nicht mehr so üppig. Bedingt durch das die starre Achse hinten ergibt sich die Differenz lediglich aus der jeweiligen Reifenhöhe. Die Offroad-Version bringt es so auf ca. 130 mm, kein Paradewert, für ein Sportquad mit Starrachse in der Klasse aber durchaus üblich.

Weitere Unterschiede finden sich im direkten Sichtfeld des Fahrers. So muss die XS auf den breiten Supermoto-Lenker der XSM verzichten. Im Gelände macht der schmalere Lenker aber wirklich Sinn, das Handling wird wesentlich einfacher. Auch die Lenkerhöhe ist beim Offroader etwas größer. Anstelle der stylischen Griffgummis der Supermoto kommt der Offroader mit einfarbigen, aber umso griffigeren Tüllen aus. Die beiden Brüder werden auch mit verschiedenen Rückspiegeln ausgerüstet. An der Geländemaschine ist Funktion wichtiger als Optik. Das kleine Dashboard an der Lenkerklemmung passte wegen der erhöhten Lenkermontageböcke nicht mehr an die Supermoto. An der XS macht der Tacho damit aber einen wertigeren Eindruck, obwohl es sich um das gleiche Modul handelt. Weitere Unterscheidungsmerkmale finden sich auch nach eingehender Untersuchung nicht. Vor allem auch nicht im unsichtbaren Inneren des Motors. Die Fahrzeuge verfügen über identische Organe und auch die Motorsteuerung ist gleich.

Sinn, oder nicht Sinn?

Das ist hier mal eine gute Frage. Die stellt sich aber auch bei den Modellen anderer Hersteller, die ebenfalls mit leichten Modifikationen aus einem Modell gleich mehrere machen. Insofern ist Adly da nicht allein. Grundsätzlich muss man davon ausgehen,, das sich das Modelling schon lohnt, die Nachfrage gestaltet ja das Angebot zu einem großen Teil mit. Im Fall der doppelten Hurricane 400 haben wir im Fahrbetrieb aber schon teils gravierende Unterschiede fest. Während die Supermoto auf den breiten Straßenpellen richtig sanft über glatten Asphalt schwebt, machen sich die Geländereifen der Offroad-Version auf der Straße eher negativ bemerkbar. Zum Einen ist das Kurvenverhalten und der Geradeauslauf sehr schwammig, zum Anderen erzeugen die Pellen extrem laute Abrollgeräusche, die schon ab etwa 40 Stundenkilometern den Motor vollständig übertönen. Das nervt auf die Dauer schon sehr. Obwohl die Bremsanlagen absolut identisch sind, zeigen sich im Straßeneinsatz spürbare Unterschiede. Die schmalere Spur und auch der schmalere Lenker der XS erfordern erhöhte Aufmerksamkeit bei Vollbremsungen. Wo die Supermoto stoisch in der Spur bleibt, muss der Offroader mit Nachdruck in der Spur gehalten werden. Die von vornherein geringe Bodenfreiheit der XSM verbietet uns den Einsatz im Gelände. Dorthin führen wir aber die XS aus, denn dafür wurde sie gemacht. Der erste Eindruck bestätigt sich schnell, leichtes bis mittelschweres Geläuf kann die XS relativ gut bewältigen. Für ein Quad ohne Allrad geht schon was. Die Bereifung kann hier voll überzeugen. Das Fahrwerk ist Standard, nicht mehr. Schon kleinere Sprünge lassen die Dämpfer im Grenzbereich arbeiten. Bei sportlicher Gangart ist Konzentration gefordert. Die Ergonomie passt aber. Handling und Bremsverhalten auf losem Untergrund sind tadellos.

Was sich an der Supermoto schon als nervig gezeigt hat, kann im Gelände noch weniger überzeugen, die Bedienung des Rückwärtsgangs ist schlicht ein Graus. Somit bezieht sich die größte Kritik auf beide Fahrzeuge. Welche aber jetzt für wen? Fest steht, wer auch nur ab und zu einen kleinen Geländeausflug ins Auge fasst, wird an der Offroad-Version nicht vorbei kommen. Dafür muss man leichte Kompromisse beim Straßeneinsatz in Kauf nehmen. Ein zweiter Satz Reifen aus dem Zubehör mit asphaltfähigem Profil wäre eine sinnvolle Investition für den Offroader, denn die Dämpfer lassen sich zur Not mit voller Vorspannung auf bessere Bodenhaftung trimmen. Umgekehrt machen Stollenreifen auf der Supermoto keinen Sinn und würden das Handling nur negativ beeinflussen. Wer aber von vornherein den Einsatz des Quads auf der Straße bevorzugt, der sollte gleich zur XSM greifen. Nicht nur Dämpfer, Reifen und Felgen sind gut darauf abgestimmt, sondern auch der breite Lenker macht sich sehr positiv bemerkbar. Auch wenn wir letztlich der Supermoto ein etwas besseres Gesamtzeugnis ausstellen, sind wir dennoch froh, dass es noch eine Handvoll Hersteller gibt, die überhaupt ein geländefähiges Sportquad in der Mittelklasse anbieten. Vor allem weil der Preis stimmt.

 

Text und Fotos: Frank Meyer

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