Ein Fall für Crocodile Dundee

Written by on 8. April 2016 in Allgemein, Test + Technik, Utility

Mick Dundee küsste 1987 mit Vorliebe Krokodile im erfolgreichen Hollywood-Blockbuster. Im gleichen Jahr präsentierte John Deere den Vorgänger – Modell AMT – der heutigen Gator-Fahrzeugfamilie. Der Fahrspaß war damals allerdings sicher nicht dem Filmspaß ebenbürtig.

Mick Dundee ist heute in Rente. Der Gator hingegen wurde von John Deere gehegt, gepflegt und gezüchtet. Also steht mit dem aktuellen Modell Gator XUV 550 einer ausgedehnten Fahrt aus reinem Vergnügen nichts mehr im Wege? Wir haben den Versuch gewagt.

Wie ein Fels in der Brandung: John Deere´s Gator-Modelle sind besonders robust.

Der Weltmarktführer in Sachen Landmaschinentechnik John Deere war in Sachen „bahnbrechende Innovationen“ nie wirklich führend. Aber man hat immer nach links und rechts geschaut und die Fehler der Mitbewerber konsequent vermieden. John Deere kann sicher auch nicht als Erfinder der Side-by-Side Fahrzeuge bezeichnet werden, aber mit der Vorstellung des Offroad-Vehikels AMT (All Materials Transport) mit drei oder fünf Rädern war eine weitere Modell-Linie in der Maschinen- und Fahrzeugproduktion geboren, die bis heute Bestand hat. Mittlerweile kann kein anderer Hersteller mit einer so riesigen Modellvielfalt in diesem Fahrzeugsegment glänzen wie John Deere.

Schaffe, schaffe: Klar, der Gator ist ein echtes Arbeitstier, jetzt aber mit Spaßanteil.

Nach einer mehrere Jahrzehnte andauernden Diesel-Motoren-Phase wurden 2011 erstmals auch Gator-Modelle mit Benzinmotoren in die Modellpalette aufgenommen. Man vertraut auf die Maschinen vom Partner Briggs & Stratton. Über ein solches Aggregat verfügt also auch unser Baby-Gator XUV 550. John Deere stapelt bei der Modellbezeichnung im Gegensatz zu manchem Mitbewerber ganz schön tief, verfügt der Zweizylinder-V-Motor doch tatsächlich über 570 ccm Hubraum. Dafür ist die daraus resultierende Leistung mit gerade mal 16 munteren Pferdchen eher spärlich.

Erstkontakt

Unser Testfahrzeug ist einer der ersten XUV 550 in Deutschland. John Deere ist in Europa noch recht vorsichtig mit der Einführung der neuen Modelle, wohlwissend, dass hierzulande eine Straßenzulassung unabdingbar für einen Verkaufserfolg ist. Bloß nicht übertreiben, scheint hier die Devise, weshalb der als Zugmaschine zugelassene Gator nicht schneller laufen darf als 40 km/h. Für ausgedehnte Touren auf der Straße wohl eher nicht so spaßig. In der Stadt reicht´s gerade so, im Gelände braucht man eigentlich kaum mehr Speed. Somit steht schnell fest, wo man den Gator seiner Bestimmung entsprechend einsetzen sollte. Unterholz, Sand, seichtes Wasser ist also die richtige Umgebung für diese Spezies. Und für diese Umgebung ist der 550er auch bestens gerüstet. Das Chassis ist geprägt von diversen Stahlformen und ist wie bei allen Gatoren bisher auch extrem stabil ausgefallen. Unterfahrschutz aus Stahl ist ebenso obligatorisch. Unerwartet flexibel fällt dagegen die Radaufhängung aus. Rundum doppelte A-Arms mit einstellbaren Dämpfern und mehr als 200 mm Federweg sorgen für Komfort und 270 mm Bodenfreiheit für Vorwärtsdrang im Gelände. Die Bereifung mit CST Ancla M-T ist eine gute Wahl. Gegen Aufpreis erhältlich sind auch Maxxis Bighorn auf wohlgefälligen Aluminiumfelgen. Alles nicht neu, aber für John Deere Verhältnisse schaut das alles sehr sportlich und leicht aus.

Optische Anleihen beim Yamaha Rhino sind kaum zu verleugnen. Im Fahrgastraum geht es sachlich, aber dennoch komfortabel zu. Die typischen Gator-Sitze wurden im XUV an die erhöhten Anforderungen angepasst und fallen angenehm weich aus. Dennoch mit ausreichend Halt. Der Fahrersitz ist verstellbar, darunter verbirgt sich der Tank mit einem Fassungsvermögen von 18,5 Litern. Der Schalthebel und der Hebel für den Allradantrieb und die sperrbaren Differenziale dominieren die Konsole und wirken recht klobig. Bedienelemente, Knöpfe und Schalter sind übersichtlich und geben keine Rätsel auf. Ein Geschwindigkeitsmesser fehlt am Testfahrzeug, der sollte aber am Kundenfahrzeug vorhanden sein. Ebenso ein Dach, das ist leider abhanden gekommen. Die Frontscheibe ist nicht serienmäßig, allerdings äußerst wirkungsvoll.

Die Frontleuchten bringen mal richtig Licht ins Dunkel und die nachgerüsteten Tagfahrlichter mit integriertem Blinklicht sehen einfach nur gut aus. Ein weiterer Pluspunkt ist die relativ große Gepäckwanne unter der Fronthaube und das große Handschuhfach. Außerdem angenehm aufgefallen ist, das man sämtliche wartungsrelevanten Bauteile ohne Werkzeug erreicht. Luftfiltergehäuse und der Ansaugtrakt für die Variomatik liegen sehr hoch, einer Bachquerung steht also nichts im Wege. Was auch nicht selbstverständlich ist, Aufnahmen für Zugvorrichtungen finden sich am Heck und auch an der Front. Das unterstreicht den Anspruch an ein echtes Zugfahrzeug. Ebenso die gesamte Bremsanlage die hydraulisch in vier Scheiben beißt und dabei die Fuhre stets fest im Griff hat. Technisch ist der Gator XUV 550 auf höchstem Niveau, allerdings muss man für Ausstattung und Zubehör noch mal extra in die Tasche greifen.

Definition von Speed

Die eingeschränkte Geschwindigkeit auf maximal 40 km/h ist schon ein Handicap. Zumindest, wenn man mit dem Gator am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt. Zwar haben die John Deere Ingenieure den Fahrspaß und Komfort nicht komplett außer Acht gelassen, aber der Fokus für den überwiegenden Einsatzzweck liegt nach wie vor im harten Arbeitseinsatz, wie  es sich für einen Gator gehört. Nebenbei bemerkt, John Deere hat zumindest in den USA noch ein heißes Eisen für die Spaßfraktion im Feuer. Der brandneue Gator RSX 850i bedient erstmals die freizeitorientierten Kunden, ohne einen großen Anspruch an „workability“, aber das ist eine andere Geschichte. Ein- und Aussteigen beim XUV ist richtig easy, viel Platz für Beine und der Beifahrer rückt einem auch nicht zu sehr auf die Pelle. Super. Nicht so toll, wir vermissen einen Schutz für die Beine, wie zum Beispiel ein Netz, wie es Yamaha am Rhino verwendet. Der Motor springt auch bei niedrigen Temperaturen willig an, den Choke braucht man eigentlich nie. Angenehm leise pöttelt der Zweizylinder vor sich hin, die Fahrgeräusche halten sich auch bei Topspeed in Grenzen. Die beiden Hebel für Getriebe und Allradschaltung flutschen butterweich, die Lenkung ohne Servounterstützung verlangt nach einer festen Hand. In Kurven verhält der Gator sich dank des Stabilisators an der Vorderachse und der ausgeklügelten Hinterachsführung sehr neutral und neigt sich kaum. Ganz ehrlich, man kommt eigentlich auch nicht in die Verlegenheit, eine Kurve „zu schnell“ anzufahren. Aber im Gelände reicht der Speed, um ein Umkippen zu provozieren.

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Mit entsprechender Weitsicht sind dem XUV aber so gut wie keine Grenzen gesetzt. Selbst steilste Hänge klettert der Gator ohne Murren nach oben. Hier lässt sich auch die Untersetzung effektiv zuschalten. Abwärts helfen die bissigen Scheibenbremsen, auch mit voller Zuladung wird die Fuhre zuverlässig in der Spur gehalten. Und für die Sicherung der Ladung in der Box finden sich ausreichend Ösen zum Verzurren. Ansonsten knarzt oder knackt nichts, auch bei extremen Fahrmanövern. Die Wertigkeit eines John Deere ist uns nicht neu, aber wir sind immer wieder erfreut, dass anscheinend jeder Mitarbeiter dieser Firma seinen Job gern macht. Für ein  UTV (so die gebräuchliche Bezeichnung für Fahrzeuge dieser Art) lässt sich der Gator XUV 550 spielerisch durchs Unterholz treiben.

Der Lenkeinschlag ist sehr gut, die Wendigkeit trotz der Breite von 145 Zentimetern schon erstaunlich. Mit den fetten LKW-Spiegeln kommen sogar über 2 Meter zusammen. Über den Betriebsstundenzähler rechnen wir den Durchschnittsverbrauch auf etwa 8 bis 10 Liter pro 100 Kilometer. Für ein Fahrzeug dieser Gattung durchaus im Rahmen. Immerhin wiegt der Gator schon über eine halbe Tonne. Zusätzlich lässt sich da aber auch fast genau so viel zuladen. Oder eben ziehen. Das ist tatsächlich die Paradedisziplin des Gator. Egal ob vorn oder hinten, Anhänger lassen sich spielend leicht rangieren. Dabei zerrt der XUV auch jedweden Hänger quer durch die Pampa, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Wobei wir wieder beim überwiegenden Einsatzzweck wären. Die Arbeit kommt mit dem 550er Gator nicht zu kurz.

Aufsteiger: Mit dem XUV 550 und dem größeren Bruder RSX 850i schlägt John Deere ein neues Kapitel auf.

Ohne Stress

Ehrlich gesagt, es fällt uns nicht immer leicht, insbesondere UTV-Fahrzeuge auf den vorgesehenen Einsatzzweck zu testen. Klar, fahren auf der Straße und im Gelände ist kein Problem. Dabei kann man sich natürlich schon ein Urteil bilden, das auch reproduzierbar ist. Daneben probieren wir auch gern die „usability“, also die Nutzbarkeit aus. Das beschränkt sich aber meist auf Momentaufnahmen. Mal einen Anhänger ziehen, die Box mit Scheitholz beladen, oder einen Strohballen von A nach B transportieren. Das alles haben wir auch mit dem Gator XUV 550 gemacht. Wie sich ein vielleicht über Jahre dauernder echter Arbeitseinsatz auf das Fahrzeug auswirkt, welche Kleinigkeiten erst gar nicht auffallen, später aber total nerven können, in unserer kurzen Testzeit werden wir das nicht feststellen können. Was wir aber feststellen können ist die Wertigkeit, also Verarbeitungsqualität, Design und den angesprochenen Nutzwert. Was man natürlich auch nicht aus den Augen verlieren darf, ist der Fahrspaß. Im Fall des John Deere Gator ist der echt schwer zu bewerten. Das Gewissen flüstert unablässig „ du musst den Gator sinnvoll einsetzen“, das Bauchgefühl meldet „sch…. drauf!“ Unsere Testrunden mit dem XUV waren entspannend und stressfrei. Die Technik lies nie einen Zweifel an der Funktionalität aufkommen. Wir hatten keinen wirklichen Bedarf, bei Crocodile Dundee um Hilfe bei der Bändigung des Gators anzufragen. Dem Baby-Reptil aus dem Hause John Deere können wir gute Manieren bescheinigen. Eigentlich nicht wirklich überraschend.

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Noch mehr John Deere gefällig? In der kommenden Quadwelt Ausgabe 03/2016 haben wir exklusiv dem großen Benziner XUV 825i auf den Zahn gefühlt. 

 

Text und Fotos: Frank Meyer

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