Szene: Ein Mann für alle Fälle

Written by on 26. Oktober 2017 in Allgemein, Szene

Im Rahmen unserer lockeren Reihe „Helden der Quadszene“ stellen wir Euch diesmal Bert Pein aus Rullstorf in der Lüneburger Heide vor. Was Bert so Besonders macht, ist nicht die Tatsache, dass er mit einer Querschnittslähmung auch Quad fährt, sondern eher die Art mit welcher Selbstverständlichkeit er dies tut. Wir trafen Bert bei einer Offroad-Veranstaltung und haben einen ziemlich außergewöhnlichen Typen kennengelernt.

Leider kein ungewöhnliches Schicksal, das Bert im Alter von gerade mal 23 Jahren trifft. Ein Motorradunfall reißt den jungen Mann aus dem gewohnten Leben, das gerade erst Fahrt aufnimmt. Mit abgeschlossener Ausbildung als Schlosser und Schmied fand er schnell eine Arbeitsstelle im Zweiradsektor, seiner großen Leidenschaft. Bei einer KTM-Vertretung war er Mechaniker für Reparatur und Restauration. Im hauseigenen Team konnte Bert auch den Trail- und Endurosport weiter ausüben. Der Grundwehrdienst bei der Bundeswehr konnte dem Offroader ebenfalls etwas bieten, immerhin durfte er dort einen Leopard 2 Panzer durchs Gelände jagen. Seinen schon damals erarbeiteten Ruf als Tausendsassa belegt er mit einer weiteren Ausbildung zum Techniker im kieferorthopädischen Bereich nach dem Wehrdienst. 1987 musste Bert seinen Vorwärtsdrang wegen oben genanntem Motorradunfall und einer daraus resultierenden Querschnittslähmung einstellen. Aber nur vorübergehend.

Mit dem Schicksal hadern, das ist nicht Berts Ding. Durch die Rehabilitation und die berufliche Wiedereingliederung biss er sich durch und konnte schon bald wieder aktiv werden. Zunächst als Mitarbeiter  bei einem Hilfsmittelvertrieb, konnte er dort beim Aufbau des Vertriebsnetzes eingesetzt werden. Durch die geknüpften Kontakte fand Bert eine Anstellung beim Hamburger Senat als Berater im „Beratungszentrum für Technische Hilfen“ mit den Aufgabenbereichen Mobilität und Kfz-Umrüstungen, sowie thematisch wechselnde Hilfsmittelausstellungen und Kontaktpflege zu deren Herstellern. Bereits 1992 kam Bert mit dem Thema ATV in Berührung. Für die Firmen Canadian Oversea und Canada Reise Dienst war er als Handicap-Tourplaner in Kanada und British Columbia über mehrere Jahre tätig. Dabei hat er auch Vorträge bei Tourismus-Messen und in Reha-Einrichtungen gehalten. Dabei hat er über seine ganz eigenen Erfahrungen berichtet, denn man kann nur mitreden, wenn man selbst dabei war.

Bert war stets mittendrin, was er mit seinen Reisen nach Skandinavien, Ost- und Südeuropa, Nordafrika, Kanaren und die Karibik unter Beweis gestellt hat. Es dauerte auch nicht lange, bis Polaris als Hersteller auf Bert Aufmerksam wurde. In Zusammenarbeit mit der Firma Taubenreuther konnte er dort als technischer Berater die Umrüstung von ATV / UTV auf den Handicapbetrieb und den Vertrieb der Spezialumbauten voranbringen. Daneben war er auch bei der Firma Stricker für den Aufbau eines Vertriebsnetzes für deren Handbikes und die Vorführung, Beratung und Anpassung verantwortlich. 2004, der Quadboom in Deutschland kam gerade erst in Fahrt, absolvierte Bert beim ADAC eine Ausbildung zum Fahrsicherheitstrainer für Offroad PKW und Handicaped ATV, führte Trainingsveranstaltungen  durch und war an deren Konzeption maßgeblich beteiligt. Neben unzähligen Beratertätigkeiten arbeitet Bert aktuell bei diversen Firmen im Vertrieb, bzw. Marketing und wurde unter anderem von Polaris Industries zum Produktbotschafter berufen. Und in eben dieser Tätigkeit war er zeitgleich mit uns in Rumänien, um bei der Enduromania reinzuschnuppern.

Den Polaris ACE 570, den Bert aktuell im Auftrag von Polaris auf seine Tauglichkeit für Querschnittsgelähmte testet, wurde per Spedition geliefert. Er selbst kam per Flieger, wie die meisten Enduromania-Besucher. In Zusammenarbeit mit Eble 4×4 soll Bert die Location und die angebotenen Touren auf Herz und Nieren für die Empfehlung auch für Gehbehinderte testen. Wobei er selbst die Messlatte für sich sehr niedrig ansetzt. Unüberwindbare Hürden gibt es für Bert so gut wie keine. Ein paar Treppen am Gästehaus stören nicht wirklich, wo es kein Weiterkommen gibt, ist Bert sich nicht zu schade auf die Hilfe der Anwesenden zurückzugreifen. Mit seiner charmanten hanseatischen Art hat er ohnehin jeden Umstehenden sofort im Sack. Im Umgang mit dem Polaris ACE kann man ihm auch nichts vormachen. Wie selbstverständlich schwingt er sich auf sein Ein-Mann-UTV und hat auch Ratz-Fatz den Rollstuhl hinten auf der Ladefläche verstaut und festgezurrt. Wir sind an drei Tagen zusammen in den Rumänischen Wäldern und Gebirgen unterwegs.

An keiner Stelle war Bert den mitfahrenden Wildcats von der Firma Eble 4×4 ein Hindernis. Im Gegenteil, da wo sich andere Teilnehmer eher schwer taten, war Bert ohne Zögern durch schwierigste Passagen auf und davon. Zu erwähnen wäre noch, dass Bert auf der ACE einen Satz Reifen und Felgen von VBW Tires fuhr, die ihm noch mehr Kippsicherheit verliehen. Seine jahrelange Erfahrung auf ATVs macht sich heute aber auch so bemerkbar. Auch als Beifahrer im Widcat kann sich Bert bestens behaupten. Wir staunen jedenfalls nicht schlecht, was der lustige Hanseat in Sachen Fahrzeugbeherrschung drauf hat. Sein Urteil zur Behindertenfreundlichkeit für die Touren von Eble 4×4 und die Enduromania-Location als Basis wird jedenfalls sehr positiv ausfallen. Ein paar Kleinigkeiten würde er für nicht so erfahrene Teilnehmer mit Behinderung schon gern umgesetzt sehen, aber er traut dieses Abenteuer durchaus auch vielen anderen Betroffenen zu. Wir können uns nur wünschen, dass möglichst viele Menschen mit Behinderung der Empfehlung von Bert folgen, denn dieses Erlebnis ist nicht nur für „Normalos“ unvergesslich.

Fragen an Bert? Schickt uns einfach eine Mail an verlag@quadwelt.de, wir leiten die dann umgehend weiter.

 

Text: Frank Meyer

Fotos: Bert Pein, Frank Meyer

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