Der Maverick ist eindeutig eine Weiterentwicklung des schon erfolgreichen Commander. Allerdings noch weiter auf Sportlichkeit getrimmt, wenn auch nicht bis zum Exzess. Optisch ist der neue 1000er gar nicht so weit weg vom Vorgänger.
Es war eine unglaubliche Erfahrung. Wir haben Dinge gesehen, die man eigentlich für kaum möglich gehalten hat. Dank Can-Am, die eine Handvoll ausgesuchter, europäischer Pressevertreter in die marokkanische Wüste geladen hat, konnten wir unseren Augen nicht trauen. Da war sie – gleißend gelb, unglaublich stark und so begehrt – die Sonne am strahlend blauen Himmel. Und obendrein standen auch noch mehrere Testfahrzeuge von Can-Am´s neuem Modell Maverick zum wüsten Ritt bereit. So viel Glück!
Mitte März in Deutschland. Der Flieger geht von Köln, wo das Sicherheitspersonal streikt, über Berlin Tegel, wo einsetzender Schneefall zu Ausfällen führt. Mit Verspätung geht es aber für uns weiter nach Casablanca und von dort schon knappe zehn Minuten später mit einem weiteren Flug nach Ouarzazate, ein kleiner Ort am Rande der großen Wüste im Süden Marokkos. Es ist stockdunkel und auch ziemlich kühl. Egal, ein Hotelbett ist uns für die nächsten vier Stunden gegönnt. Am nächsten Morgen steigen acht Medienvertreter aus ganz Europa und eine Handvoll Can-Am-Mitarbeiter noch leicht unausgeschlafen in einen Kleinbus, der die Truppe noch ein paar Stunden bis zum Zielort Erfoud nahe der algerischen Grenze schaukelt. Trotz der Reisestrapazen verbreitet sich gute Laune. Ausnahmslos alle freuen sich natürlich auch auf den ersten Kontakt mit dem neuen Can-Am Modell Maverick, aber an diesem Morgen war ein anderes Ereignis der Auslöser für ein breites Grinsen.
Die Sonne ging am Horizont auf und mit den ersten Strahlen stellte sich eine wohlige Frühlingswärme ein, die wir alle bis dahin so schmerzlich vermisst haben. Selbst der Kollege aus Spanien hat sich mit uns gefreut, denn auch dort war der Winter ein selten langer Gast. Und die Aussicht, die nächsten zwei Tage den Maverick und andere Can-Am Modelle unter extremen Bedingungen bis an die Grenzen zu bringen, war ebenfalls eine zusätzliche Motivation. Nach dem Einchecken ins Hotel für die nächsten Tage ging es ohne großes Brimborium gleich los. Der Fuhrpark stand bereit, eine kurze Sicherheitseinweisung noch und dann setzte sich die Karawane – gleich hinter der Dorfgrenze mit Vollgas – in Bewegung. Schnell stellt man fest, dass Hochgeschwindigkeitsfahrten mit offenen Fahrzeugen abseits von befestigten Straßen in trockenen Gebieten eine lästige Begleiterscheinung verursachen – es staubt mächtig! Da muss man sich schon richtig konzentrieren, dass man im dichten Sandnebel nicht den Anschluss verliert. Und man muss eine Menge Vertrauen in den fahrbahren Untersatz setzen, denn nicht jedem Steinbrocken kann man unter diesen Bedingungen ausweichen.
Aber natürlich haben wir uns den Maverick vor der Fahrt genauer angesehen und schon beim Platznehmen Freundschaft geschlossen.
Keine optische Täuschung
Der Maverick ist eindeutig eine Weiterentwicklung des schon erfolgreichen Commander. Allerdings noch weiter auf Sportlichkeit getrimmt, wenn auch nicht bis zum Exzess. Optisch ist der neue 1000er gar nicht so weit weg vom Vorgänger. Aber an allen Ecken blitzt ein Hauch von „Baja California“ durch. Hochbeinig und breit steht der Maverick auf seinen 27 Zoll großen Maxxis Bighorn Reifen. Eine gute Wahl. Ein Hauptmerkmal ist sicher das Fahrwerk, deren Dämpfer in Zusammenarbeit mit FOX speziell für den Maverick entwickelt wurden. Zubehöranbieter werden hier kaum einen Stich machen, zu verbessern gibt es an den FOX Podium X-Performance RC 2.5 Dämpfern nicht viel. Auch die Radaufhängung mit den doppelten A-Arms vorn und der als „Trailing Torsional Independent“-Aufhängung bezeichneten Hinterachsgeometrie ist ausgereift und durchdacht. Wie schon beim Commander, nur in größeren Dimensionen setzt Can-Am auf eine 5-Punkt-Geometrie, die den Schwingendrehpunkt weit vor die Räder setzt. Ziel ist eine bessere Gewichtsverlagerung und verbesserter Bodenkontakt der Reifen, auch bei extremen Fahrmanövern.
Der Maverick ist auch deshalb quasi „nur“ ein Modellupdate des Commander, weil der Motor fast 1:1 übernommen wurde. Aber wo kommen die nominell 16 PS Mehrleistung beim Maverick her? Nach Aussage der Techniker durch reinen Feinschliff, wie z. B. Strömungsoptimierung der Ein- und Auslasskanäle, größere Ventile und Anpassen der Luftzufuhr und Abgasführung. Äußerlich lässt sich die Mehrleistung am besten noch am doppelten Auspuff erkennen, der damit also nicht nur ein optischer Leckerbissen ist. Die schiere Kraft muss auf den Boden. Dafür ist in erster Linie das überarbeitete CVT-Getriebe zuständig. Hier wirken sich größere Riemenscheiben und ein um den Faktor 1,6 stärkerer Riemen aus, der mit Zylon, einer synthetischen Faser, verstärkt wurde. Die komplette Bremsanlage mit den gelochten Scheiben und doppelten Bremskolbensätteln stammt ebenfalls aus dem Commander. Ein direkter Vergleich der technischen Daten der beiden Modelle offenbart noch viel mehr Gemeinsamkeiten. Ausstattungstechnisch geben die sich nicht viel. Ein wenig verwundert aber doch, dass der Commander sogar um drei Kilo weniger Speck auf den Rippen hat. Wie sich das auswirkt, werden wir noch „erfahren“. Bei allen Leistungsdaten, die Ergonomie ist einer der wichtigsten Bewertungspunkte, denn wenn man sich als Fahrer nicht wohl fühlt, ist auch die kleine Tour nur halb so spaßig. So etwas lässt sich aber auch nur erfühlen. Eine Frage in die Runde der Pressekollegen gibt eindeutig Aufschluss. Der eher kleingewachsene Kollege aus Spanien lobt die Möglichkeiten zur Einstellung des Lenkrades und des Sitzes. Der hünenhafte Medienvertreter aus Italien hebt die Distanz zum Beifahrer als positiv hervor.
Von der Quadwelt gibt es zusätzlich ein „Daumen hoch“ für das wirklich leicht zu bedienende Sicherheitsnetz, das auch beim Ein- und Aussteigen nicht behindert. Die Sitze sehen nicht nur gut aus, auch der Seitenhalt und vor allem der Komfort sind toll. Wie beim Commander lassen sich die Sitze zum Campingstuhl am Lagerfeuer umfunktionieren, eine innovative Idee, die man gar nicht genug würdigen kann. Ansonsten ist die Bedienung relativ simpel, die wenigen Schalter sind allesamt in guter Reichweite angeordnet und geben keinerlei Rätsel auf. Außer dem trendigen Startknopf braucht man im Cockpit auch nicht mehr. Das analog-digitale Anzeigeninstrument ist zwar hübsch und hält viel Info bereit, aber man muss nicht zwingend drauf schauen. Der aufgewertete Tacho ist übrigens Bestandteil des X-Paketes. Dazu gehören weiter das einstellbare Lenkrad mit Aluminium-Mittelteil, spezielles Sitzdesign und Grafikelemente auf der Karosse, sowie zwölfzöllige Beadlock Alufelgen und die schon erwähnten FOX Podium X Performance 2.5 Dämpfer. Dieses Paket hat einen großen Nachteil, es ist nicht optional. Das heißt, das Standardmodell mit leicht abgespeckten Dämpfern, einfachen Alufelgen und etwas weniger Bling-Bling ist in Europa leider nicht zu bekommen. In den USA liegen immerhin 1.500 USD Preisdifferenz zwischen den beiden Varianten, der Vorteil des Maverick „light“ würde sich also sicher auch hierzulande auswirken. Na mal abwarten, vielleicht kommt da ja noch was.
Die Karawane zieht weiter
Vom Hotel aus links, in Erfoud an der dritten Ampel (ja die gibt’s da wirklich) nach links und nach einem Kilometer sind sämtliche urbanen Behausungen nur noch Erinnerung. Einzig das Asphaltband auf dem wir Richtung Süden donnern, erinnert an Zivilisation. Und der teilweise kniehohe Plastikmüll, der sich vor allem in windgeschützten Senken sammelt. Eine traurige, aber andere Geschichte. Unterbrochen von scheinbar willkürlich eingestreuten Kurven endet aber auch die Straße irgendwann einfach im Nichts. Vor uns weite Ebenen und am Horizont die Gipfel des Atlasgebirges, die kaum wahrnehmbar im staubigen Dunst verschwimmen. Das wirklich Gute an der relativ weiten Anfahrt in den riesigen Sandkasten der unser Ziel ist, wir können uns gleich einen ausführlichen Eindruck von der Straßentauglichkeit holen. Geradeauslauf top, Kurvenverhalten top, Bremsleistung top. Die Beschleunigung haben wir mit GPS-Gerät gemessen, soweit das realistisch darstellbar ist. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 117 km/h. Bis die auf dem Tacho angezeigt werden, vergehen 17 Sekunden. Das ist eigentlich nicht so toll, das kann jeder Fiat Punto besser. Das relativiert sich aber, denn bis 70 km/h vergehen knapp 4 Sekunden. Das reicht, um den Fahrer samt Passagier in die komfortablen Sitze zu pressen. Gefühlt liegt der Speed dennoch viel höher, aber das empfindet sicher jeder anders.
Allerdings ist die Meinung der Testpiloten über den kernigen Sound dafür einhellig. Die doppelten Endtöpfe erzeugen Gänsehaut und werden von keinem als zu laut empfunden. Da waren eindeutig auch Sounddesigner am Werk, wie es im Automobilbau schon lange Usus ist. In dem Zusammenhang soll auch erwähnt werden, dass auch sonst keine Störgeräusche wie Knarzen oder Quietschen zu vernehmen sind. Die qualitative Anmutung ist tatsächlich überzeugend. Einen Umfaller im Sand hat der Maverick nebst Pilot jedenfalls ohne bleibende Blessuren überstanden. Der übergroße Kollege aus Italien hat die Fliehkräfte unterschätzt und den Bremspunkt verpasst. Kann passieren, sollte natürlich nicht. Egal, nicht alle haben es mitbekommen, der Maverick war schnell wieder aufgerichtet und schon ging es weiter. Wenn man nicht gerade wieder alle vier Räder im Sand versenkt hat. Da hilft auch kein Allradantrieb oder sperrbares Differenzial mehr, was beides serienmäßig vorhanden ist.
Wenn die Fuhre auf dem Bodenblech aufliegt, hilft nur noch buddeln. Da kommt Dakar-Feeling auf. Auch die Beanspruchung der Testfahrzeuge kommt dem schon nahe. Regelmäßige Fahrerwechsel, jeder nimmt sich den Maverick mit vollem Elan zur Brust. Die Stunden vergehen und es gibt keinen Ausfall zu beklagen. Auch am folgenden Tag das gleiche stramme Programm. Parallel mitfahrende Outlander und Commander geben sich ebenfalls keine Blöße. Lediglich die Reifenreparaturen unterbrechen den Vorwärtsdrang der Karawane immer mal für ein paar Minuten. Nicht schlimm, mal kurz Luft holen, ein Schluck Wasser und die Brille putzen, das muss auch sein. Es macht mächtig Spaß den Maverick von Düne zu Düne zu jagen. Jedes Mal spannend, weil man auch nicht wirklich weiß, wie es hinter der nächsten Welle weitergeht, teilweise fällt der Maverick mehrere Meter in die Tiefe. Dank des gut abgestimmten Fahrwerks und der zusätzlich dämpfenden Wirkung der Sitzpolster werden aber auch harte Aufschläge gut abgefedert. Teilweise schon übermütig wird der Maverick über Sandberge geschleudert. Außenstehende Beobachter können es kaum glauben, was man sich in dem maßgeschneiderten Cockpit alles zutraut. Dabei sind die Sichtverhältnisse rundum eigentlich ganz ordentlich, selbst der Blick über die Schulter ist nicht vergeblich, wie bei manchen anderen Side-by-Side.
Oase voraus!
Auch der schönste Testtag geht einmal zu Ende. Beim Feierabendbier in der Kashba lässt es sich prima resümieren. Kann der neue Maverick einen Meilenstein setzen? Ja. Aber nicht für lange, denn die Mitbewerber werden nachziehen. Und ganz ehrlich, der Abstand ist eigentlich nicht real vorhanden. In der Summe ist der Maverick ein supersportliches Side-by-Side, das aber vor allem durch hohen Komfort und wertige Ausstattung überzeugt. Hätte Can-Am dem Maverick auch gleich noch die dynamische Servolenkung aus der aktuellen Commander-Generation verpasst, wäre der Vorsprung sicher um einiges größer. Aber eines steht fest – so sicher wie der Sommer auch dieses Jahr nach Deutschland kommt – es wird einen Maverick mit elektrischer Lenkhilfe geben. Früher oder später.
Text: Frank Meyer
Fotos: Frank Meyer, Thierry Honnorat