Klassik-Test: Kawasaki KFX 450 R

Written by on 10. Januar 2016 in Allgemein, Kawasaki

Wie viele namhafte Hersteller hat auch Kawasaki seine Modellpalette um die reinen Sportler bereinigt. Das Sterben insbesondere der starken 450er ist traurig. Dennoch findet man hier und da noch eine KFX 450 als Gebrauchtangebot. Grund genug also, das wir dem Modell einen Klassik-Test widmen.

Die Mitbewerber haben es vorgemacht, Kawasaki zog erst später nach. Ein 450er Sportquad erweiterte seit 2007 das ansonsten eher von robusten ATV geprägte Angebot. Auch wenn der erste Blick auf den grünen Renner den Eindruck erweckt, dass es sich nur um eine weitere Variante in der Riege der 450er handelt, der irrt. Natürlich haben die Kawasaki Ingenieure bei der Konstruktion auch nach links und rechts geschaut. Aber das ist angesichts der daraus resultierenden Lösungsvarianten auch legitim. In vielen Details wurde gutes noch verbessert.

Kein Klon

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Ihrer Plastikkleider beraubt, muss man schon genau hinschauen, um die 450er Sportquads aller Hersteller auseinander halten zu können. Die Unterschiede stecken im Detail. Im Fall der KFX 450 R finden sich dabei nicht nur funktionelle, sondern auch praktische, sowie optische Highlights. Das auffälligste davon dürfte die neue Rahmenkonstruktion inklusive der Aluschwinge sein. Ein Mix aus Aluminiumgussteilen, Rund- und Vierkantrohren sorgen für Steifigkeit an belasteten Punkten und Gewichtseinsparung dort, wo keine starken Kräfte auftreten. Die formschöne Schwinge ist ebenso in unterschiedlichen Materialstärken für eine bessere Torsionssteifigkeit gefertigt.

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Vorn sorgen lange Dreieckslenker am einfachen Kastenrohr-Rahmenunterzug für minimale Radsturzverstellung beim Einfedern. Federwege von vorn 215 mm und hinten von 254 mm der Kayaba Federbeine sind beachtlich. Die Dämpfer sind voll einstellbar, der hintere verfügt sogar über eine doppelte Druckstufeneinstellung. Ein echtes Highlight ist aber der Motor. Kawasaki macht keinen Hehl daraus, diesen dem in 2005 aufgelegten Zweirad KX450F entliehen zu haben. Allerdings dann doch mit einigen Modifikationen, besonders im Inneren. So ist zum Beispiel der Zylinder beschichtet und ein geschmiedeter Drei-Ring-Kolben sorgt für geringere Reibwiderstände. Das Getriebe verfügt auch über einen Rückwärtsgang. Hier wendet Kawasaki einen Trick an, der die Baubreite des Gehäuses durch den zusätzlichen Gang nicht verändert. Eine veränderte Anordnung der einzelnen Getrieberäder und die Verwendung eines Zwischenrades ermöglicht die Verwendung des Schaltrades des vierten Gangs auch als Rückwärtsgang.

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Dieser wird äußerst praktisch über einen kleinen Hebel an der Daumengasarmatur betätigt, ohne das man die Hand vom Lenker nehmen muss. Im Gegensatz zum Zweirad verfügt die KFX 450 über einen Elektrostarter. Völliges Neuland betritt Kawasaki mit der erstmaligen Verwendung eines Einspritzsystems in einem ihrer ATV Modelle. Dafür aber gleich durchdacht und ausgereift. Eine Menge verschiedener Sensoren versorgen die Elektronik mit Informationen, die stets für optimale Kraftstoff- und Luftmengen im Brennraum sorgen. Eine spezielle Zehn-Loch-Düse sorgt für ultrafeine Kraftstoffzerstäubung und optimiert die Abgaswerte. Das grüne Gewissen muss allerdings mit mindestens 97 Oktan erkauft werden. Einer der Sensoren sorgt dafür, das im Falle eines Überschlages, oder einer Neigung von mehr als 60 Grad der Motor abgeschaltet wird. Intelligente Elektronik sorgt auch dafür, das die Höchstdrehzahl nicht überschritten wird. Ein erster, softer Drehzahlbegrenzer ab 10300 U/min reduziert die Kraftstoffzufuhr, bevor ab 11000 U/min Zündung und FI abgeschaltet werden. Die Bereifung ist Klassentypisch ausgelegt. Dafür sind die Felgen mehrfach gelocht. Das soll Gewicht sparen. Die hinteren Felgen sind dagegen zusätzlich mit Verstärkungsringen für mehr Stabilität versehen. Eine Chromschicht sorgt für edle Optik, allerdings nur auf den Außenseiten. Für die Verzögerung zuständig sind vorn zwei Scheibenbremsen mit 163 mm Durchmesser und Zweikolben-Schwimmsätteln. Hinten kommt eine 200 mm Scheibe im Wave-Design mit Einkolben-Schwimmsattel zum Einsatz. Ein Parkbremshebel am Lenker wirkt auf die hintere Bremse. Beim Umlegen des Hebels wird zusätzlich der Kupplungshebel blockiert.

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Beim Lenker greift Kawasaki auf ein bewährtes Produkt aus dem Hause Renthal zurück. Der nach außen konisch zulaufende Fat-Bar-Lenker verdeckt durch das dicke Schutzpolster leider die Kontrollleuchten. Gelungen ist dagegen das zweifarbige Sitzpolster, das an der Sitzfläche und den Seitenflächen unterschiedlich strukturiert ist und dadurch guten Halt und trotzdem auch Beweglichkeit bietet. Die Passform der Verkleidungsteile ist sehr ordentlich. Dazu lassen sich auch noch die Kotflügel vorn und hinten mit wenigen Schrauben abnehmen, was den Rennfahrern sicher entgegen kommt. Die Staubfänger kosten sonst wertvolle Zehntel Sekunden. Auch die Scheinwerfer können bei Bedarf mit wenigen Handgriffen entfernt werden.

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Fertig, LOS!

Also alles „ready to race“? Die verwendeten Komponenten deuten darauf hin. Allerdings sucht man serienmäßige Nerfbars vergebens. Auch die Breite von 1,17 Metern wird nicht jeden MX-Freak zufrieden stellen. Auch wenn die meisten der Mitbewerber in dieser Klasse auch nicht mehr aufbieten. In letzter Konsequenz heißt das, Kawasaki versucht mit der 450er neben dem reinen Rennfahrer auch den Hobbypiloten oder Enduristen anzusprechen. Wir steigen auf und probieren es aus.

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Trotz Einspritzsystem hat man der KFX einen Chokeknopf gegönnt. Dieser liegt allerdings so ungünstig unter dem Sitz, dass man nur mit viel Fingerspitzengefühl dran kommt. Dafür springt der Motor seidenweich an. Im Standgas lässt sich die tatsächliche Power kaum erahnen. Die Abgase, die durch den Krümmer aus Titan in den riesigen Auspufftopf gepresst werden, entweichen von dort verhältnismäßig leise in die Umwelt. Ziemlich tief sitzt der Pilot fast „im“ Quad. Langen Kerls würde vielleicht eine etwas höhere Lenkstange gefallen. Ansonsten passt die Ergonomie. Die erste Runde auf dem anspruchsvollen Quad-MX-Kurs im französischen Les Andelys offenbart schnell die Vor- und Nachteile.

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Wobei sich die Nachteile schnell als abwendbar entpuppen. Ein, zwei Klicks an den Dämpfern und den Schalthebel an die eigenen Bedürfnisse angepasst, geht es schon wesentlich zügiger in die nächsten Runden. Der hammerharte Untergrund, der übersäht ist mit faustgroßen Steinbrocken, macht auf einmal kaum noch Probleme. Die KFX bügelt viele Unebenheiten einfach weg. Die Schaltung funktioniert exakt und butterweich. Ab dem zweiten Gang kann man durchaus auch schon mal die Kupplung vergessen, der Gangwechsel klappt trotzdem hervorragend. Die Getriebeabstufung ist gut gewählt. Auch im Fahrbetrieb hält sich die Geräuschkulisse in Grenzen. Ein sonorer Klang ist vorhanden, aber nicht nervig. Umlenken in den engsten Kurven, kein Problem. Der Lenker liegt gut in der Hand. Die vordere Fahrwerksgeometrie funktioniert wie von den Ingenieuren erdacht. Die Räder verlieren fast nie den Bodenkontakt, lassen sich dabei aber auch immer sehr direkt dirigieren. In den scharfen Kurven, in denen die Reifen den Boden schon bis auf den nackten Fels aufgewühlt haben, wünscht man sich dann doch ein paar Zentimeter mehr an Breite. Man muss schon ordentlich gegenhalten, damit die Maschine nicht nach Außen kippt. Dies allerdings nur im Grenzbereich. Die wenigen Geraden auf dem Kurs erlauben Vollgas bis in den letzten Gang.

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Der Motor zieht dabei ohne spürbare Einbrüche gnadenlos vorwärts. Wir probieren im Dritten Gang den Drehzahlbegrenzer aus, tatsächlich geht dieser fast nicht spürbar zu Werke. Erst bei rund 11000 Touren merkt man die Zwangsbremse für den Motor. Im Normalfall sollte man in diesen Bereich aber gar nicht kommen.  Erwartungsgemäß funktionieren die Bremsen. Am Handbremshebel reichen zwei Finger, um das Geschoss im Zaum zu halten. Auch die Fußbremse zeigt gute Verzögerung. Auch nach einigen flotten Runden auf dem schwierigen Kurs ist keine nachlassende Wirkung spürbar. Der umlegbare Hebel für die Handbremse ist eine ordentliche Lösung, da auch gleichzeitig der Kupplungshebel blockiert wird. Alles in allem, ein durchweg positiver Eindruck. Aber kann die KFX auch weitere Tester überzeugen?

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Versuch macht kluch

Kawasaki hat den versammelten Pressevertretern die bestmöglichen Voraussetzungen geschaffen, die neue KFX 450 R richtig kennen zu lernen. Der Support durch Kawasaki-Techniker Ingo Grund und den französischen Kollegen vor Ort war äußerst hilfreich. Änderungen am Setup konnten sofort im wahrsten Sinne des Wortes erfahren werden. Wie sieht es aber aus, wenn ein ganz normales Fahrzeug aus der Produktion dem Urteil der Testfahrer standhalten soll? Wir probieren es einfach aus. Kurz nach dem Test in Frankreich haben wir uns eine Maschine von Kawasaki Deutschland besorgt und diese über den MX-Kurs von Hennweiler gejagt. Zu diesem Anlass haben wir unter unseren Lesern einen Testtag mit der KFX 450 verlost. Gewinner Marco Korn aus Speyer freute sich auf die für ihn völlig neue Erfahrung. Bisher kannte er nur seine Grizzly. Auch Oliver Kraus, Fahrer im Quadwelt-Racing-Team konnte ausgiebig fahren. Darüber hinaus haben wir die Kawa auch dem 15-jährigen Michael Wolf anvertraut, der aber in der IGE schon lange Quaderfahrung sammeln konnte. Ein durchaus bunt gemischter Haufen also, unsere Testfahrerriege.

 

Übereinstimmend gefällt allen die Wahl der Materialien, besonders die neue Rahmenkonstruktion aus Aluminium kann punkten. Den Sportfahrern fällt die Exenter-Kettenspannung ins Auge und das angeschraubte Rahmenheck. Das man bei Kawasaki besonderes Augenmerk auf einen niedrigen Schwerpunkt gelegt hat, fällt auch allen auf. Styling und Finish der 450er ist ansprechend. Das der Prallschutz am Lenker den Blick auf die Kontrollleuchten verdeckt stößt auf Unverständnis. Punkten kann die KFX 450 aber wieder übereinstimmend bei der Bedienung für den Rückwärtsgang. Oliver Kraus moniert die Kunststoffbremsleitungen. Die dürften auch gerne aus Stahlflex gefertigt sein. An der Bremswirkung gibt es allerdings kaum etwas zu bemängeln. Viel Lob heimst die Kawa auch für die Fahrwerksausstattung ein, was sich im Praxistest nur noch einmal bestätigt. Die beiden Sporterfahrenen Oliver und Michael wünschen sich ein paar Extrazentimeter in der Breite. Lesertester Marco kann mit den Gegebenheiten aber gut leben. Auf der angrenzenden Enduro-Strecke finden aber alle zum Lob für das Fahrwerk zurück. Zwischen den Bäumen durch ist die 450er in Ihrem Element. Hier sind auch alle mit der Leistungsausbeute zufrieden. Für den Renneinsatz auf dem MX-Kurs vermisst Oliver Kraus ein paar Pferdchen. Nebenbei bemerkt, Kawasaki hat für die aktiven Sportfahrer schon eine Lösung parat. Es wird ein offizielles Tuningkit geben, das eine Leistungssteigerung von ca. 20 Prozent verspricht.

Hier aber die kompakten Einzelmeinungen der Testfahrer:

Oliver Kraus:

„Neben der KFX 450 hatten wir am Testtag auch eine Suzuki LTR 450 am Start. Somit war der direkte Vergleich möglich. Die Kawasaki ist ein rundum gelungenes Fahrzeug mit einigen Highlights, doch leider wie schon bei Honda und Yamaha, wurde auch hier nicht alles zu Ende gedacht. Warum hat die Kawa keine Stahlflexbremsleitungen? Warum ist das Fahrzeug unter 1200 mm breit? Auch könnte der Motor ab Werk ruhig einen Schlag mehr Leistung haben und sollte nicht erst nach Zukauf aus dem Zubehör- und Tuningbereich an die Leistung der Suzuki heran kommen“.

Michael Wolf:

„Die aggressive Optik des Quads ist mir sofort aufgefallen. Die Scheinwerfer und das LED Rücklicht fand ich klasse. Der Renthal Lenker mit dem Fat Bar Polster passt auch gut ins Gesamtbild des Quads. Der könnte allerdings etwas höher sein. Beim Springen verhält die Kawa sich sehr neutral. Selbst wenn man mal schräg aufkommt, kein Problem. Die Dämpfer gleichen Bodenwellen und harte Landungen gut aus. Im unteren Drehzahlbereich fehlte mir etwas der Biss. In ganz engen Kurven ist mir der Motor manchmal abgestorben. Dafür war die Lenkung erste Sahne. Die Kippneigung in Kurven ist zwar spürbar, aber noch gut zu handeln“.

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Lesertester Marco Korn:

„Dies war das erste Mal das ich auf einem Sportquad gefahren bin und auch das erste Mal auf der MX-Strecke. Sonst fahre ich ja eine Yamaha Grizzly. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bin ich doch sehr schnell mit der Kawasaki zurecht gekommen. Die Leistung fand ich absolut ausreichend und auch die Sitzposition war OK. Optisch ist die Kawa definitiv ein Hingucker. Auf der MX-Strecke hatte ich aber so meine Schwierigkeiten, obwohl ich zum Ende des Tests sogar das erste Mal in meinem Leben einen Sprung auf einem Table absolviert habe. Besser hat mir der Enduro-Parcours gefallen. Dort habe ich mich auf Anhieb wohl gefühlt. Die direkte Gasannahme machte mir Probleme. Bei niedrigen Drehzahlen ist mir der Motor schon mal ausgegangen. Ein Sportquad braucht anscheinend immer richtig Drehzahl, daran musste ich mich gewöhnen. Als besonders gelungen bezeichne ich den Rückwärtsgangschalter. Der ist ideal platziert und lässt sich leicht bedienen. Ansonsten hab ich mich sehr gefreut, mal einen Blick hinter die Kulissen bei der Quadwelt werfen zu können“.

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Gemeinschaftsfazit

Der 450er Motor ist gelungen. Vor allem die Einspritzung weist den Weg in die Zukunft. Die Liste der Änderungen gegenüber dem Aggregat, das aus dem Zweirad-Zwilling KX450F entliehen wurde, ist lang. Viele kleine Details sorgen für Drehzahlfestigkeit und beherrschbare Leistung. Der Alurahmen ist so stabil wie er aussieht. Die Verarbeitungsqualität ist über jeden Zweifel erhaben. Kawasaki ist mit der KFX 450 R ein großer Wurf gelungen. Auch wenn der Racer sich in den technischen Daten kaum von den Mitbewerbern in dieser Klasse unterscheidet. Dennoch, Kawasaki ist der Lückenschluss in der eigenen Produktrange mehr als geglückt. Nicht ganz zeitgemäß sind die sehr kurzen Inspektionsintervalle von 1700 Kilometern. Für den Straßenfahrer sicher ein schweres Pfund. Dafür gibt’s für die private Nutzung 24 Monate Garantie, die (per Schutzbrief) sogar auf 48 Monate verlängert werden kann. So viel Vertrauen hat wohl kaum ein anderer Hersteller in seine Fahrzeuge. Somit kann dann hoffentlich auch der Kunde in eine hoffnungsvolle, grüne Zukunft schauen.

 

Text: Frank Meyer

Fotos: David Reygondeau, Erik Pohl

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